Die Schweizer haben eine Mitschuld an der Frankenstärke. Das sagte der aus seinem Amt als Vizepräsident der Schweizerische Nationalbank (SNB) scheidende Jean-Pierre Danthine außerhalb des Protokolls. Es ist einer der wenigen Einblicke in das Innere der SNB. Ist die Suche nach einem Schuldigen gar ein Manöver, um den Schweizer Wähler auf noch sehr viel größere Verluste seiner Notenbank einzustimmen?
Die Frankenstärke habe auch damit zu tun, dass Schweizer Investoren sich im Ausland überdurchschnittlich mit Investitionen zurückhielten, erläuterte Danthine in der vergangenen Woche in Lausanne. Einlassungen wie: Seit der Lehman-Pleite 2008 ließen die Schweizer ihre Gelder zu Hause, weshalb die SNB durch massiven Kauf ausländischer Devisen als Lückenfüller einspringen musste, sollte der SNB-Vize laut Mauskript eigentlich nicht sagen, zumal er über den Immobilienmarkt referierte.
In einer neuen Studie analysiert Morgan Stanley, dass die Schweizer Wirtschaft auf Gedeih und Verderb einen schwachen Franken benötige. Die Schweiz sei bei weitem die offensten Volkswirtschaft unter den Industriestaaten. Damit sei sie am stärksten abhängig von einer weichen Währung, die nicht nur vonnöten sei, um die Wettbewerbsfähigkeit der Exporteure hoch zu halten. Ferner brauche es einen schwachen Franken, um Inflation aus dem Rest der Welt in die Schweiz zu importieren (Abwehr einer Deflationsspirale).
Morgan Stanley erwartet eine massive Abwertung des Schweizer Frankens. Sollte dies nicht passieren, werde die SNB in erster Linie mit noch negativeren Zinsen anstatt Devisenmarktinterventionen gegenhalten. Die Devisenexperten prognostizieren Euro-Franken-Kurse von 1,10 (Ende 2015) und 1,20 (Ende 2016).
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Denn der Schuss für die Schweiz kann nach hinten losgehen. Das weiß offenbar auch Danthine. War der Rekordverlust von 30 Milliarden Franken erst der Anfang? Die Notenbank hat so viele Vermögenswerte und Risiken in ihrer Bilanz, die zusammen ein komplexes Gesamtgebilde ergeben, dessen Wertentwicklung nahezu unmöglich ist vorherzusagen.
Das mit Abstand größte Risiko ist ein fallender Euro-Franken-Kurs. Grob überschlagen kann man sagen, dass die SNB für jeden Rappen, den der Franken zum Euro aufwertet, etwa 1 Milliarde Franken Miese macht. Auch hat sich die SNB mit Aktien vollgesogen. Eine Korrektur käme sie daher teuer zu stehen.
Dann wäre da noch die Kursrallye bei deutschen Bundesanleihen, mit denen die SNB die massiven Wechselkursverluste zuletzt etwas ausgleichen konnte. Inzwischen spricht die ganze Finanzwelt von einem Blase bei deutschen Staatsanleihen. Das Wolfgang Schäuble Zinsen bekommt, anstatt welche zu zahlen, ist ganz gewiss kein Zustand für die Ewigkeit. Die Renditen sind wegen der Kursrallye ins Negative gerutscht. Sollte die Blase der Bundesanleihen platzen, wäre die SNB mit einem dicken Verlust mit von der Partie.
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Die Vollkaskomentalität der Schweizer Notenbank
05.05.15
06:25