Auch für EZB-Chef Mario Draghi ist die Tsipras-Regierung ein Buch mit sieben Siegeln. Auf die Frage, ob er auf dem Weg sei die Akte Griechenland zu schließen, sagt der mächtige Notenbankchef einem Redakteur der italienischen Wirtschaftszeitung "Il Sole 24Ore": "Ich weiß nicht, diesmal ist es wirklich schwierig". Der Euro macht bei 1,05 Franken notierend auf eitel Sonnenschein. Das könnte an der Vorfreude auf einen Grexit und einem Risikoschub aus Fernost liegen.
Die ersten Bilder von Alexis Tsipras als Che Guevera tauchen auf. Gegen den Popstar aus Griechenland wirken die Politiker des EU-Apparates wie graue Mäuse. Die Chancen auf eine Einigung auf ein neues Hilfsprogramm sind gemäß dem langjährigen Europaabgeordneten Elmar Brok (CDU) gering. "Tsipras kann mit der westlichen Ordnung nichts anfangen. Ich fürchte, es wird kein Programm von ihm geben", erläutert Brok in der ARD.
Die zunehmende Grexit-Gefahr vor dem "Big Sunday" lässt die Gemeinschaftswährung kalt. Der Euro klettert drei Handelstage in Folge von 1,0350 Franken auf aktuell 1,05 Franken. In China wird der Börsencrash gestoppt. Der Shanghai Composite Index erholt sich um sieben Prozent. Der Regierung in Peking gelingt es mit massiven Markteingriffen den Kursverfall zu stoppen. So dürfen beispielsweise Aktionäre, die Beteiligungen von mehr als fünf Prozent an einem Unternehmen halten, ihre Papiere in den nächsten sechs Monaten nicht veräußern.
Für Finanzmarktexperten ist China bedrohlicher als Griechenland. Denn die aussichtslose Lage der hellenischen Republik ist hinlänglich bekannt. Sollte es aber im Reich der Mitte zu einer gefährlichen Kettenreaktion kommen, wären die exportorientierten Europäer sofort betroffen. Die schlechte Börsenstimmung könnte Chinas Wirtschaftswachstum von den angepeilten sieben Prozent auf dreieinhalb Prozent halbieren. Chinesische Privatanleger verlieren massiv Geld, das dem Konsum fehlt.
Sollten die 28 Staats- und Regierungschefs der EU am kommenden Sonntag aufgrund mangelhafter Reformvorschläge aus Athen den Grexit beschließen, wäre das wahrscheinlich nur kurzfristig ein Grund für den Euro-Franken-Kurses abzutauchen. Auf Sicht von einigen Woche und Monaten dürfte der Eurokurs sogar steigen, weil ein chronisches Weichwährungsland den Euro abgeben muss. Die Eurozone käme einem Blue-Chip-Währungsraum ein Stück weit näher.
Ferner ist unwahrscheinlich, dass nach einem Grexit sofort Spekulationen auf den nächsten Austrittskandidaten ins Kraut schießen. Die Wirtschaft in der Eurozone (mit Ausnahme von Griechenland) ist am wachsen. Darüber hinaus macht es für Spekulanten wenig Sinn auf einen Austritt von Ländern wie Portugal zu wetten, weil die Europäische Zentralbank (EZB) in der Lage ist noch für mindestens ein Jahr mit ihren Käufen von Staatsanleihen gegenzuhalten.
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Euro braucht Grexit um voranzuschreiten
09.07.15
11:38