Man habe viel Spielraum, sollte der US-Leitzins wieder auf 0,00% fallen, erläutert Yellen bei einer Rede in New York. Sie sagt gleich dazu, was ihr vorschwebt: Zum einen ein Zinsversprechen den Leitzins über Jahre hinweg bei 0,00% zu belassen (Forward Guidance). Zum anderen eine "Erhöhung der Größe und Dauer der Bestände langfristiger Wertpapiere". Letzteres hat es in sich, weil Yellen damit den Ankauf von Staatsanleihen und Hypothekenpapieren (QE, Quantitative Easing) signalisiert.
Börsianer reiben sich die Augen: Kündigte die Fed doch bisher an, die Leitzinsen erhöhen zu wollen. Warum erwägt man nun das Gegenteil und bringt einen über die Notenpresse finanzierten Ankauf von Staatsanleihen ins Gespräch? Die Antwort darauf kann im Grunde genommen nur im Zustand der US-Volkswirtschaft liegen. Denn das ist alles, was für die Amerikaner zählt. Hier fallen Ungereimtheiten auf.
Nachdem die Fed ihren Leitzins im Dezember 2015 zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt anhob, konnte der Offenmarktausschuss (FOMC) nicht aufhören zu wiederholen, in welch gutem Zustand die US-Wirtschaft wäre. Ausnahmslos alle FOMC-Mitglieder verbreiteten Optimismus. Offenbar hatte Yellen zuvor die Parole ausgegeben, die Konjunktur schön zu reden. Das Ganze erinnerte an die Verbalakrobatik der Schweizerischen Nationalbank (SNB), die den Euro-Mindestkurs bei 1,20 Franken über den Klee lobte, bis sie ihn dann einfach aufhob.
Nun stellt sich heraus, dass die Fed geflunkert hat. Erste Modell-Prognosen der Fed von Atlanta zeigen, dass die US-Wirtschaft im ersten Quartal 2016 lediglich ein Wachstum von 0,6% schaffte. Im Schlussquartal 2015 hatte die Wachstumsrate noch bei 1,4% gelegen. Yellen ersetzt das Schönreden der US-Wirtschaft mit einem Bashing des internationalen Umfeldes. Weil sie nicht einräumen will, dass die US-Wirtschaft eine lahme Lokomotive mit geringer Produktivität ist, behauptet sie, die schwache Weltkonjunktur sei an der Wachstumsabkühlung schuld.
US-Aktienindex S&P 500 |
Der Fed dürfte es darum gehen den Vermögensaufbau der Amerikaner abzusichern. Die Aktienmärkte sind mittlerweile in ihrem achten Anstiegs-Jahr. Yellen könnte ein Einbahnstraßen-System vorschweben: Abgesehen von kleineren Korrekturen und Seitwärtsbewegungen geht es an den Aktienmärkten immer nach oben (entweder langsam oder schnell). Auf diese Weise kann die Fed den US-Konsumenten, dessen Stimmung stark von der Lage an den Finanzmärkten abhängt, bei Laune halten.
Läuft etwas nicht nach dem Plan, greift die Fed ein. Neu ist auch, dass Yellen sagt, die Geldpolitik werde auf alle "ökonomischen Wendungen" reagieren. Im Klartext heißt das: Die Fed werde alles in ihrer Macht stehende tun, um ein Börsenbeben, das die in den letzen Jahren angehäuften Papiergeld-Gewinne vernichten würde, zu verhindern. Solange die Inflation niedrig ist, dürfte ihr das auch gelingen.
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