Die Schweizer haben sie zur Abschwächung des Frankens. Die Eurozone verspricht sich von ihnen eine Ankurbelung der Wirtschaft: Negative Zinsen gab es selbst vor 3.000 Jahren im alten Babylon nicht. Sie werden nun als große Innovation verkauft. Wirtschaftshistoriker reiben sich die Augen, während die Länder mit hochentwickelten Finanzmärkten es vorziehen, nicht in das Zeitalter vor Babylon zurückzufallen.
Negativzinsen seien gefährlich für Sparer, stellt Larry Fink, Mitgründer des weltgrößten Vermögensverwalters BlackRock, in einem Schreiben an seine Anteilseigner fest. Die Entscheidung der Zentralbanken "treffen die weltweiten Sparer empfindlich" und führten dazu, dass Investoren sich riskantere Vermögenswerte suchten, mit potentiell "gefährlichen finanziellen und wirtschaftlichen" Konsequenzen, so Fink.
Der frühere PIMCO-Chef Bill Gross warnt davor, dass negative Zinsen das Geschäftsmodell von Banken und Versicherungen zerstören. Der niederländische Finanzkonzern ING ist angesichts verstörten Verbrauchern alarmiert. Die könnten nämlich ihr Geld zurückhalten, also mehr sparen, um den Vermögensschwund durch Niedrigzinsen auszugleichen.
Briten und Amerikaner haben ganz bewusst auf negative Zinsen verzichte. Die Bank von Japan verbrannte sich mit ihrer Einführung vor knapp zwei Monaten die Finger. Die Bevölkerung reagierte für japanische Verhältnisse extrem erbost. Die Schweiz, Schweden und Dänemark müssen auf negative Zinsen setzen, um ihre Währungen abzuschwächen, weil sie den massiven Anleihenkäufen der EZB sonst nichts entgegensetzen könnten.
Somit bleibt die Eurozone als einziger Währungsraum übrig, der Negativzinsen als Konjunkturprogramm einsetzt. Der weltgrößte Rückversicherers Münchener Rück bunkert inzwischen wieder Gold und Bargeld in eigenen Tresoren, um den von der Europäischen Zentralbank (EZB) erhobenen Strafzins zum umgehen. Münchener-Rück-Chef Nikolaus von Bomhard spricht von einer verhängnisvollen Zinspolitik der EZB und einer "Erosion des Rechts".
Palastrevolution?
Allmählich zeichnet sich ab, wie das Ganze ausgeht. Die EZB will mit den negativen Zinsen erreichen, dass die Deutschen ihr Geld wieder in Südeuropa anlegen und investieren - so wie vor 2008. Damals gab es in Spanien dank einer Immobilienblase eine Wachstumsstory. Griechenland lockte Sparer mit hohen Zinsen. Auch Portugal wurde von deutschen Banken vortrefflich mit Krediten versorgt.
Nach China ist Deutschland der weltweit zweitgrößte Gläubiger, und macht als solcher keinerlei Anstalten sich wieder verstärkt in Südeuropa zu engagieren. Das geht zu einem großen Teil auf das Konto von Mario Draghi. Anders sähe es natürlich aus, wäre an der EZB-Spitze ein für Solidität stehende Geldpolitiker aus dem Norden, der den Deutschen sagen würde: Nun ist es wieder okay in Südeuropa zu investieren.
Aber da ist Mario Draghi so wie Brasiliens Staatschefin Dilma Rousseff: Er klammert sich an die Macht, sperrt sich gegen einen Neuanfang und nimmt einen enormen volkswirtschaftlichen Schaden billigend in Kauf. Die Deutschen horten derweil ihre Geld unter der Matratze, in Gold und Immobilien. Solange Draghi da ist, werden sie damit wohl auch nicht aufhören.
Zum Thema:
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Eurozone in babylonischer Negativzins-Gefangenschaft
12.04.16
11:47