Ist die Schweiz mit ihrem Wechselkurs-Latein am Ende?
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Ist die Schweiz mit ihrem Wechselkurs-Latein am Ende?

Die Angriffsfläche des Euros bleibt groß, nachdem die EU die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens mit Kanada cancelt und sich weiter einigelt. Spekulanten wetten auch wegen der lahmen Kreditnachfrage auf einen schwächeren Euro. Die Charttechnik stellt sich als das einzige, einigermaßen zuverlässige Prognosewerkzeug für den EUR/CHF-Kurs heraus. Die Schweiz provoziert mit ihrer Hinhaltetaktik den nächsten Paukenschlag.

"Irgendwo muss das viele Geld ja hin!" Das denkt sich offenbar EZB-Chefvolkswirt Peter Praet. Der zweitmächtigste Notenbanker der Eurozone hält die Inflation für zu niedrig. Man werde so lange Geld pumpen, bis die Teuerung deutlich zugenommen habe, sagt Praet auf einer Veranstaltung in Brüssel laut der Nachrichtenagentur Dow Jones.

Neben den Einlassungen des Belgiers, der als erster Nicht-Deutscher den Posten des EZB-Chefvolkswirten einnimmt und sich entgegen den Annahmen von Merkel und Schäuble als geldpolitische Taube wie sie im Buche steht, herausstellte, bereitet die Kreditvergabe Sorgen. Weder bei den Ausreichungen der Banken an private Haushalte noch beim Geldmengenwachstum kam im September etwas an Dynamik hinzu, zeigen neue EZB-Statistiken.

Wegen Praet's Aussagen und der lauen Kreditvergabe stehen die Chancen gut, dass die EZB ihr Ankaufprogramm von Staatsanleihen deutlich über März 2017 hinaus verlängern wird. Um Whatever-it-Takes mit Eurobonds zu verzahnen, und weil der EZB die aufkaufbaren Staatsanleihen aus Deutschland ausgehen, dürften Praet und Draghi ferner an den hochpolitischen Kapitalschlüssel gehen.

Das würde dazu führen, dass künftig mehr Staatsanleihen aus Italien, Spanien und Portugal, die fast auf dem Ramschniveau bzw. im Fall Portugals von den großen Ratingagenturen bereits auf Ramsch sind, gekauft werden. Weil eine solche Änderung eine heikle Sache wäre, geht man bei Goldman Sachs davon aus, dass die EZB die Umschichtung "als technische Änderung" verkaufen wird.

Draghi dürfte also nicht in seine "Einlassenden Bemerkungen" zur EZB-Pressekonferenz schreiben, dass man künftig mehr Staatsanleihen aus Südeuropa kauft. Die Märkte erführen es erst, wenn die Käufe getätigt werden und sich die ganze Sache herumspräche. Die EZB würde es also nach dem Juncker-Prinzip, mit dem die EU Ceta an die Wand fuhr, machen:

"Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt."


Der EUR/CHF-Kurs hat im Juni 2016, bereits Wochen vor dem Brexit-Votum, ein Verkaufsignal ausgelöst. Ohne Wechselkursmanipulationen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) wäre der Euro deutlich unter 1,08 Franken gefallen. Bei einer Verlängerung mit Südgewichtung der EZB-Käufe könnte die SNB entscheiden, die Charttechnik nicht länger durch Euro-Stützungskäufe zu manipulieren und den EUR/CHF-Kurs auf 1,05 ziehen zu lassen.

Die Schweiz hat bereits zweimal zu Jahresbeginn ihre Deviseninterventionsstrategie geändert. Im Januar 2015 kam es zum Franken-Schock. Im Januar 2010 gab man einem damaligen, inoffiziellen Euro-Mindestkurs bei 1,50 Franken auf. Es folgte eine 20-monatige, steile Abwärtsbewegung des Euro-Wechselkurses auf 1,01 Franken.