Es knistert: Die deutsche Wirtschaft wechselt auf die Überholspur. Sie fährt allen davon. "Deutschland sorgt in der Eurozone im Oktober für das stärkste Wirtschaftswachstum seit Jahresbeginn", melden die Konjunkturforscher von IHS Markit. Der Euro kann nur leichte Gewinne verbuchen. Ausgehend von einem 3-Monatstief bei 1,0804 Franken steigt er auf 1,0830 Franken. Das letzte Mal als die Konjunktur in der Eurozone so gut lief, war 1 Euro 1,12 Franken wert. Damals lag der Schwerpunkt der EU-Wirtschaftspolitik noch auf Weitblick statt Populismus.
Besonders gut geht es den deutschen Dienstleistern. Dem Einzelhandel winken einer Studie von Ernst & Young zufolge Rekordeinnahmen im Weihnachtsgeschäft. Aber auch das Produzierende Gewerbe lässt sich nicht lumpen. Hier steigt der Einkaufsmanagerindex (PMI) mit 55,1 Punkte in luftige Höhe. "Die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen hat enorm angezogen, und die Unternehmen schufen im Oktober so viele neue Arbeitsplätze wie seit über fünf Jahren nicht mehr", resümiert der Ökonom Oliver Kolodseike von IHS Markit.
Aus der Sicht des Euros ist es begrüßenswert, dass die französischen PMI's für den Servicebereich und die Industrie beide über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten liegen. Das war in früheren Aufschwungphasen nicht der Fall. Die große Kluft zwischen Deutschland und Frankreich, die sich aufgebaut hatte, seitdem Hollande vor vier Jahren Präsident wurde, verkleinert sich. Darüber hinaus steht die Eurozone heute etwas stabiler da, weil sich in Spanien ein Ende der seit über einem Jahr andauernden Regierungskrise abzeichnet.
Protektionismus
Während die Wirtschaft in der Eurozone momentan so kräftig am expandieren ist wie zu Jahresbeginn, als sie mit einer Rate von 0,6% gewachsen war, bleibt der EUR/CHF-Kurs auf der Strecke. Das Hoch des Euro vom 4. Februar 2016 bei 1,1201 Franken, das mitten in den damaligen Konjunkturaufschwung fiel, ist knapp vier Rappen weg. Damals war die EU noch auf einem relativ vortwärtsgewandten Kurs. Seit dem Brexit hat sich das geändert. Nun haben die Protektionisten das Sagen.
Neue Abschottungspläne der EU nehmen Gestalt an. Chinesische Investoren zeigt man die gelbe Karte. Ihre Einkaufstouren sollen durch schärfere EU-Regeln bis hin zu einem Verbot von Unternehmenskäufen gebremst werden. Was sich EU-Kommissar Günther Oettinger und Deutschlands Vizekanzler Sigmar Gabriel da ausdenken, ist blanker Populismus, so wie das Nein der Wallonie zu Ceta. Gabriel hatte schon ein schlechtes Bild abgegeben, als er aus dem Blauen heraus vorschlug, Siemens solle den Roboterbauer Kuka kaufen, um einen Einstieg der Chinesen zu verhindern.
China wird als gefährlichen Investor stigmatisiert. Gegenüber den USA, wo die Fed die Aktienkurse aufplustert und damit die Kriegskasse der Unternehmen für ausländische Übernahmen füllt, geht man subtiler vor. Frankreich hat sich beispielsweise darauf spezialisiert Steuernachforderungen gegenüber US-Internetfirmen aus dem Nichts heraus, rückwirkend zu erheben. Das erinnert schon an Putin und Yukos was die Franzosen hier machen.
Die EU ist seit dem Brexit-Votum auf Abschottungskurs. Das kann sie sich im Grunde genommen nicht leisten, weil sie auf den freien Welthandel am meisten angewiesen ist. Die Europäer brauchen ihre Exportüberschüsse nicht nur, um den Euro zusammenzuhalten. Ohne sie ließe sich auch das rheinische Sozialstaatsmodell nicht finanzieren.
Zum Thema:
Warum Frankreich an seinem Sozialstaat zu ersticken droht (Manager Magazin)
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Ohne EU-Abschottung könnte Euro bei 1,12 Franken sein
24.10.16
12:09