Geht es noch weiter bergab mit dem Euro? Oder lassen sich Anleger vom sprudelnden Leistungsbilanzüberschuss der Eurozone blenden und sehen bei Kursen von 1,0850 Franken und 1,0950 US-Dollar eine günstige Gelegenheit Euros zu kaufen? Eine Bestandsaufnahme über den Zustand der Eurozone zeigt: Die beiden greisen Mr. Euros, Juncker und Draghi, müssen Tacheles reden.
Es ist das Pfund, mit dem die Eurozone wuchern kann: Der hohe Leistungsbilanzüberschuss gibt dem Währungsraum einen einigermaßen seriösen Anstrich. Wie sich nun herausstellt, haben die Euroländer ihren Leistungsbilanz, die neben Exportüberschüssen auch Vermögenseinkommen aus dem Ausland umfasst, im August überraschend kräftig auf knapp 30 Milliarden Euro gesteigert.
Für jene, die an die Zukunft des Euros glauben, ist das ein starkes Signal. Der Leistungsüberschuss zeigt, dass in der Eurozone genügend Geld für hochverschuldete Staaten wie Italien und Griechenland vorhanden ist. Kein Vergleich zu instabilen Ländern wie der Türkei oder gar den USA, die mit ihrer Leistungsbilanz im Minus sind und auf ausländisches Kapital angewiesen.
Die von Ländern wie Deutschland erzielten hohen Überschüsse würden allerdings nicht dorthin fließen, wo sie gebraucht werden (Italien, Spanien), sagen die Euro-Pessimisten und verweisen auf die Target-2-Salden der Deutschen Bundesbank. Die Situation sei diametral anders als vor 2008, als der Euro zu funktionieren schien.
Damals griffen deutsche Landesbanker nicht nur schnell zum Telefonhörer und riefen in London den Investmentbanker ihres Vertrauens an, um sich geschwind ein Paket von US-Hypothekenpapieren zu einem gewünschten Zins schnüren zu lassen. Sie pumpten auch ohne mit der Wimper zu zucken hohe Summen nach Spanien, weil sie an die wirtschaftliche Großmannssucht des damaligen spanischen Ministerpräsident José Luis Zapatero glaubten.
"Wir sind uns sicher, dass wir Deutschland und Italien beim Pro-Kopf-Einkommen in zwei oder drei Jahren überholen werden", sagte Zapatero in einem Gespräch mit der Zeitung "El Pais" im Januar 2007. "Wir werden sie uns schnappen", versprach der Sozialist auf dem Höhepunkt des Baubooms. Wenig später sollte sich dann herausstellen, dass Spaniens Wirtschaft zu einem großen Teil auf Sand gebaut war.
Damit stellt sich die Frage: Gelingt es der Eurozone den Zustand vor 2008 wiederherzustellen? Mit dem aktuellen politischen Personal definitiv nicht. Merkel, Hollande, Renzi und Rajoy murksen schon seit Jahren herum. Die beiden Mr. Euros, Draghi und Juncker, haben sich auf die Seite der Euro-Südstaaten geschlagen, um den Verdacht zu zerstreuen, dass Deutschland die Eurozone beherrscht.
Die Kosten für die edle Solidaritätsbekundung der beiden Euro-Bosse bezahlt die Millennial-Generation, die in Italien, Spanien und Griechenland mit 40-50% im Arbeitslosigkeits-Sumpf versinkt. Der griechische Premier Tsipras hat unlängst Südeuropas Sichtweise ganz gut auf den Punkt gebracht. Dass Deutschland eine niedrige und Griechenland eine hohe Arbeitslosigkeit habe, liege aus seiner Sicht einzig und allein am Geld.
Tsipras, in abgeschwächter Form auch Renzi und Hollande, sind der Meinung, dass man nur mit staatlichen Konjunkturprogrammen und Beschäftigung im öffentlichen Dienst die Leute von der Straßen holen kann. Solange Juncker und Draghi diesem Gedankengut nicht entschieden entgegentreten und die klare Marschrichtung vorgeben, dass es die Privatwirtschaft sein muss, die die Jobs schafft, ist die Euro-Kuh nicht vom Eis.
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Was nun Euro? Eine Stärken-Schwächen-Analyse
20.10.16
11:53