EZB-Chef Draghi muss ein herbe Niederlage einstecken. Er hat ein massives Lockerungsprogramm im Vorfeld der EZB-Sitzung angekündigt, bekommt dafür aber kein grünes Licht. Der Euro schiesst von 1,05 auf 1,10 Dollar hoch, als Draghi vor die Presse tritt und seine Niederlage eingesteht. Dem EUR/CHF-Kurs gelingt an jenem 3. Dezember 2015 immerhin ein Anstieg von 1,08 auf 1,09. Dieser Jahr wird es nicht minder spannend: Es geht um QE-Infinity.
Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) sollte jemand sein, der zwischen den Verfechtern einer straffen Geldpolitik und den Befürwortern einer lockeren Geldpolitik vermittelt. Er darf also weder ein Falke noch eine Taube sein. Jean-Claude Trichet war so jemand. Mario Draghi ist es nicht. Der Italiener scheint davon besessen zu sein, Geld zu drucken.
EZB-Direktor Yves Mersch hat unlängst einen bemerkenswerten Satz gesagt: Die EZB steuere langsam auf eine Abkehr der ultralockeren Geldpolitik zu. Draghi konterte umgehend. Er verwies darauf, dass die Inflation erst im Jahr 2018 oder 2019 wieder bei 2% sein werde. Und weiter: Man werde das zur Erreichung des Inflationsziels notwendige, sehr erhebliche Ausmaß an geldpolitischer Unterstützung beibehalten.
Sollte Mersch tatsächlich zu den Falken gewechselt sein, ginge das Stimmgewicht im sechsköpfigen EZB-Direktorium von 5:1 für die Tauben auf 4:2 zurück. Denn auch die deutsche EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger ist eine Falkin. Im EZB-Rat, da wo die nationalen Notenbankchefs vertreten sind, tut sich ebenfalls etwas.
Der Chef der Österreichischen Nationalbank (OeNB), Ewald Nowotny, hat über den Sommer mehrfach ein Inflationsanstieg und einen Rückbau der ultraexpansiven Geldpolitik in Aussicht gestellt. Ginge auch der OeNB-Gouverneur zu den Falken, wäre das schlecht für die Glaubwürdigkeit von "Draghis Taubenschlag". Nowotny ist neben Mersch der dienstälteste EZB-Banker.
Was dem OENB-Chef vorschwebt, ist jedoch schwer abzuschätzen. Er gibt sich regelmäßig wie ein Bauchredner, mit mehreren Stimmen zur Geldpolitik. Würde Nowotny österreichische Interessen vertreten, wäre es höchste Eisenbahn sich für weniger Billiggeld einzusetzen, als dies den Euro tendenziell stärken und seinen heimischen Franken-Kreditnehmern helfen würde.
François Villeroy de Galhau ist eine weitere Schlüsselfigur. Der Franzose dürfte mit Sorge zur Kenntnis nehmen, dass durch Draghis Besessenheit Geld zu drucken, der weltweite Marktanteil des Euros von 25% auf 20% gesunken ist. Der Abstand zur Leitwährung US-Dollar wird immer größer. Für Frankreichs politische Elite ist das ein Faktor, als sie mit einem dem Dollar einigermaßen ebenbürtigen Euro im Rücken Weltpolitik machen möchte.
Die letzte EZB-Sitzung 2016 wird vor allem deswegen spannend, weil die Finanzmärkte inzwischen eingepreist haben, dass die Notenbank permanent Anleihen aufkaufen wird. Die Märkte glaubten in Europa an QE-Infinty, sagt Elga Bartsch, Chefvolkswirtin bei Morgan Stanley.
Sollte Draghi in einer solchen Situation gezwungen werden den Falken Rechnung zu tragen, kann es zu erheblichen Kursausschlägen kommen. Oder anders ausgedrückt: Draghi würde wie vor einem Jahr, als der EUR/USD-Kurs in wenigen Augenblicken um 5 Cents hochschoss, wieder einmal als Kaiser ohne Kleider dastehen.
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Abkehr von QE-Infinity für den Euro ein Mega-Event
08.12.16
08:00