Von anderen Euroländern fordert die Merkel-Regierung seit Jahren zu Recht Reformen. Wenn es aber darum geht selbst einmal mit gutem Beispiel voranzugehen, mauert die Bundesregierung. Der Reformstau in Deutschland zusammen mit der hohen Abhängigkeit von den Exporten ist eine tickende Zeitbombe. Neigt sich die Ära der goldenen Subventionspolitik dem Ende?
Die Europäische Bankenaufsicht (EBA) und die Europäische Zentralbank (EZB) nehmen den deutschen Sparkassensektor unter die Lupe. Die Bankenaufseher bemängeln den Einfluss von kommunalpolitischen Vertretern bei den Sparkassen. Darüber hinaus fehle es den Mitgliedern der Aufsichtsorgane der Sparkassen oft an der notwendigen Qualifikation. Es wäre also dringend eine Reform erforderlich, doch Finanzminister Wolfgang Schäuble tut nichts.
Deutschland sollte seinen Dienstleistungssektor reformieren, eine höhere Effizienz des Steuersystem herstellen und den Arbeitsmarkt für Geringverdiener öffnen, empfehlt die EU-Kommission. Gerade im Dienstleistungssektor schlummert großes Potenzial. Allerdings sind mit Merkel solche Reformen nicht zu machen, wie das Versandverbot für Arzneimittel einmal mehr unter Beweis stellt.
Das Gesetz von CDU-Gesundheitsminister Gröhe zwingt Kunden, verschreibungspflichtige Medikamente in einer Apotheke zu beziehen, statt sich die Arzneimittel nach Hause liefern zu lassen. Mehr Anti-Dienstleistungsmentalität, also das komplette Gegenteil von dem, was die EU-Kommission fordert, geht nicht. Die deutsche Regierung beschützt die Apotheker und viele andere Berufsgruppen stärker als die griechische Regierung ihre Taxi-Fahrer und Putzfrauen.
Exporterfolge vernebeln die Sicht
Er akzeptiere keine Kritik am hohen deutschen Exportüberschuss, sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble diese Woche in Brüssel. Schaut man sich die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) an, wird schnell klar, warum. Hätte Deutschland 2016 ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht, so wie es das Grundgesetz vorschreibt, wäre die deutsche Volkswirtschaft um 8% kleiner.
Entsprechend stünden Merkel und Schäuble weniger Geld für Subventionen zur Verfügung. Die Politik müsste sich daran machen, mehr Wachstum aus dem Dienstleistungssektor herauszubekommen oder aber die geplanten Rentenerhöhungen einzufrieren und weniger für Soziales auszugeben. Bedenkt man, dass Deutschland versprochen hat, seine Militärausgaben für die Nato jedes Jahr um 8% zu erhöhen, ist noch weniger da zum Umverteilen.
Sollten Zinsen und Inflation steigen, wird es ganz schnell eng. Eine höhere Teuerung wird den Konsum und das Wachstum bremsen, und höhere Zinsen ein Loch in die Staatskasse reißen. Weder Merkel noch ihr Herausforderer Schulz sind jedoch dazu in der Lage eine vernünftige Wirtschaftspolitik zu machen. Die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag werden das auch gar nicht zulassen. Insofern wird früher oder später das Geld knapp und Berlin wird Defizite nach Brüssel melden.
Künftig wird Deutschland in zwei seiner wichtigsten Absatzmärkte nicht mehr die gleiche Exporterfolge erzielen wie bisher. In Großbritannien bremst der Brexit. In den USA erwägen die Republikaner im Abgeordnetenhaus eine 20-prozentige Steuer auf sämtliche Einfuhren. Damit wollen sie die von Trump versprochene Senkung der Unternehmenssteuer gegenfinanzieren.
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Deutschland ohne Exporte hemdsärmelige Volkswirtschaft
24.02.17
08:00