In den letzten Handelstagen stieg der Euro von 1,0636 auf 1,0722 Franken. Dadurch haben sich die auf dem Papier stehenden Wechselkursverluste von Franken-Kreditnehmern etwas verkleinert. Wie es weiter geht, wird sich nach den Sitzungen von Europäischer Zentralbank (EZB) und Schweizerischer Nationalbank (SNB) in dieser und nächster Wochen beurteilen lassen.
Überall in Europa boomt derzeit die Wirtschaft, wie der vom Beratungsunternehmen Sentix erhobene Konjunkturindex zeigt. Die potentielle Gefahr eines jähen Abrisses der Wirtschaftserholung ist gemäß den Experten vom Tisch. In Deutschland und Österreich läuft es hervorragend. Ebenso ausgezeichnet ist die Lage in der Schweiz.
Was das Aufwärtspotenzial des EUR/CHF-Kurs einschränkt, ist nicht etwa, dass die Schweiz beim Wirtschaftswachstum nach dem Frankenschock vor zwei Jahren mit der Eurozone inzwischen wieder auf Augenhöhe ist, ja diese sogar überholen könnte. Entscheidend sind die Zentralbankzinsen.
Ausredenkatalog
Der EZB-Leitzinssatz lag im Jahr 2007 bei 4%, während der Leitzins in der Schweiz mit 2% lediglich halb so hoch war. Heute gilt ein Nullzins in der Eurozone. Die SNB ist mit ihrem Schlüsselzins gar auf -0,75% nach unten gegangen. Der Zinsvorteil der Eurozone, wenn man davon in Anbetracht von Null- und Negativzinsen überhaupt noch sprechen kann, hat sich mehr als halbiert.
Der Weg zurück zum alten Zinsabstand, der damals einen EUR/CHF-Kurs von 1,60 ermöglichte, ist verbarrikadiert. Bevor er überhaupt Leitzinserhöhungen in Erwägung zieht, will EZB-Chef Mario Draghi in Sachen Preisstabilität vier Bedingungen erfüllt sehen:
- Die Inflation muss auf mittlere Sicht nahe am Ziel von knapp 2% sein.
- Der Anstieg der Inflation muss dauerhaft und nicht vorübergehend sein.
- Sollte die ultraexpansive Geldpolitik enden, muss die Inflation weiter steigen.
- Es muss ein breiter Inflationsanstieg über die gesamte Eurozone hinweg sein.
Diese vier Bedingungen wurden bei früheren EZB-Leitzinserhöhungen oft schon nicht erfüllt. Es handelt sich somit um einen Ausredenkatalog, um die Zinsen dauerhaft tief zu halten und immer wieder aufs Neue an die Euro-Finanzministern aus dem Süden Zentralbankredite auszureichen, indem man die von ihnen ausgegebenen Staatsanleihen mit zweifelhafter Bonität aufkauft.