Gängige Marktmeinung auf Prüfstand:
Wenn der französische Wähler das Schreckgespenst Le Pen fortgejagt hat und den konservativen Reformer Fillon oder den früheren Investmentbanker Macron zum Präsidenten gewählt hat, wird alles gut. Europäische Aktien erhalten einen kräftigen Schub und verkleinern den Abstand zu den stark gestiegenen US-Aktien.
Entsprechend diesem Szenario haben sich viele Fondsmanager zum Jahreswechsel mit europäischen Aktien eingedeckt. Sie posaunen seitdem, dass Aktien nach der Frankreich-Wahl kräftig steigen werden. Eine solche Rallye sollte dann auch dem Euro helfen verlorenes Terrain gegenüber dem Schweizer Franken gutzumachen, ist oft zu hören.
"Wir gehen davon aus, dass die SNB großzügig am Intervenieren ist und der (EUR/CHF-)Kurs darum nicht tiefer ist", heißt es in einem aktuellen Kommentar der St.Galler Kantonalbank. Ohne die SNB-Gummiwand hätte der Euro demnach am Ostermontag nicht bei 1,0656 Franken (tiefster Stand seit knapp zwei Monaten) die Kurve gekratzt, sondern wäre weiter gefallen.
Denn der Privatsektor will den EUR/CHF-Kurs nach wie vor tiefer sehen. Am Devisenoptionsmarkt haben sich Versicherungsprämien für Put-Optionen, mit denen sich Anleger gegen einem fallenden EUR/CHF-Kurs absichern können, am ersten Handelstag nach Ostern noch einmal verteuert. Es gibt nun drei Möglichkeiten:
- Die Stimmung gegenüber dem Euro ist inzwischen so negativ und gegenüber dem Franken so positiv, dass es an der Zeit für eine Korrektur ist. Im Zuge von Positions-Normalisierungen kommt es zu einem kurzen, knackigen Anstieg des EUR/CHF-Kurses auf 1,08.
- Die SNB verliert das Tauziehen mit dem Privatsektor. Sie muss den Euro auf 1,06 Franken, möglicherweise sogar auf 1,05 Franken, ziehen lassen. Der Euro wäre dann so schwach wie zuletzt beim Beinahe-Grexit im Sommer 2015.
- Der Patt zwischen dem Privatsektor und der SNB geht auch nach der Frankreich-Wahl weiter. Es läuft auf eine Seitwärtsbewegung des EUR/CHF-Kurses zwischen 1,0650 und 1,0750 hinaus.