Die Lohnsteigerungen in der Eurozone würden sich erst innerhalb von Monaten auf die Inflation auswirken, erklärt EZB-Chefvolkswirt Peter Praet und bremst damit die Aufwärtsbewegung des Euro-Franken-Kurses ab. Die Devisennotierung hatte nach zuvor getätigten Äußerungen Draghis darauf gesetzt, dass es zu einer rascheren Straffung der Geldpolitik in der Eurozone komme. Dem erteilt der Belgier eine Absage.
Es gilt zu hinterfragen, ob Lohnsteigerungen - seit Wochen das Lieblingsthema der Euro-Notenbanker - tatsächlich zu 100% positiv zu bewerten sind.
In Südeuropa hätten Rettungspakete und ultralockere EZB-Geldpolitik dazu geführt, dass der Dienstleistungssektor einen gewissen Aufschwung genommen habe, erklärte der deutsche Top-Ökonom Hans-Werner Sinn unlängst in der Zeitung Frankfurter Allgemeine. Das habe die Anpassung der überhöhten Löhne nach unten verhindert und zum Teil auch schon wieder Lohnsteigerungen ermöglicht, kritisiert Sinn.
Im Verarbeitenden Gewerbe, dessen Löhne sich an der globalen Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen orientieren, gibt es in Südeuropa keine nennenswerte Lohnerhöhungen. Da aber im Dienstleistungssektor, wo die öffentliche Hand stark präsent ist, die Löhne steigen, kommen die Industriefirmen in Zugzwang ebenfalls die Löhne erhöhen.
Dadurch verschlechtert sich die Wettbewerbsfähigkeit der Industriefirmen weiter. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Italiens Industrie zehn Jahre nach der Finanz- und Weltwirtschaftskrise immer noch deutlich weniger produziert als 2007.
EZB und Vermögensverwalter teilen diese Analyse freilich nicht. Lohnsteigerungen werden IMMER positiv gesehen. Die Finanzmärkte reagieren erst allergisch, wenn der Punkt erreicht ist, an dem sie rückabgewickelt werden müssen. Das ist dann umso schmerzlicher, wie ein Blick nach Spanien, das wegen übertriebenen Lohnerhöhungen besonders viel zu korrigieren hatte, zeigt.
Die EZB wird dann wieder versuchen mit einem weicheren Euro die Wettbewerbsfähigkeit künstlich zu erhöhen. Die Eurozone muss infolge mehr Euros drucken, um ihre Rohstoffrechnung zu bezahlen. Das verunsichert Unternehmen. Die importierte Inflation führt ferner dazu, dass die Verbraucher weniger in der Geldbörse haben.
Fazit:
- Solange die EZB-Lohnerhöhungsblase wächst, hat der Euro-Franken-Kurs gute Chance zu steigen.
- Alsbald sich herausstellt, dass es nicht nachhaltig ist, über höhere Löhne im Dienstleistungssektor das gesamte Lohnniveau eines Landes hochzuziehen, wird der Euro-Franken-Kurs wieder sinken.