Der Euro-Franken-Kurs wird heute aller Voraussicht nach auf den höchsten Stand seit drei Monaten steigen. Am Aktienmarkt gehen Anleger in die Vollen. Die hohe Risikobereitschaft wirkt sich zu Lasten der Sicheren Häfen Schweizer Franken und Gold aus. Laut neuen Konjunkturprognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) wird die Eurozone auch im nächsten Jahr ein stärkeres Wachstum haben als die Schweiz. Die Gefahr eines Rückfalls des Euros deutlich unter 1,10 Franken ist damit gebannt, möchte man meinen. Es gibt aber große Zweifel.
Mit der Wiederaufnahme ihrer Wertpapierkaufprogramme haben Europäische Zentralbank (EZB) und US-Notenbank (Fed) Anleger in Hochstimmung versetzt. Die EZB druckt ab November 20 Milliarden Euro mit ihrer Notenpresse, die Fed 60 Milliarden US-Dollar pro Monat. Das ist eine schöne Sache für die Aktienmärkte und die Risikobereitschaft. Der US-Aktienindex S&P 500 steht kurz vor einem Rekordhoch. Beim Euro Stoxx 50 läuft es auf einen Anstieg auf den höchsten Stand seit knapp fünf Jahren hinaus.
"Man bekommt den Eindruck, dass es seit der Finanzkrise keine Konjunkturzyklen mehr geben darf: Jede auch nur leicht einsetzende Abschwächung muss sofort intensiv bekämpft werden", sagt der Schweizer Ökonom Aymo Brunetti dem SRF. Das führe zu Verzerrungen bei den Anlagemärkten und zu Risiken, dass es dort Korrekturen gebe. "Die Geldpolitik war schon während der Finanzkrise extrem expansiv und ist es seither auch geblieben. Das stimuliert die Wirtschaft zweifellos", so der frühere Chef des Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco).
Die Eurozonen-Wirtschaft wird in diesem Jahr um 1,2% und im nächsten Jahr um 1,4% wachsen, prognostiziert der IWF. Die Konjunkturprognosen für die Schweiz liegen bei 0,8% (2019) und 1,3% (2020). Auf den ersten Blick ist dieser Ausblick für den Euro positiv. Es gibt aber einige Risiken. Die Schweiz dürfte wegen ihre soliden, gut diversifizierten Wirtschaft keine Probleme haben die 1,3% auch zu liefern. Bei der Eurozone sieht das anders aus.
2020 prognostiziert der IWF für Deutschland eine Wachstumsbeschleunigung auf 1,2% und für Italien auf 0,5%. Derzeit krebsen die beiden an der Nulllinie herum. Auch die 1,3% für Frankreich und 1,7% für Österreich sind recht hoch gegriffen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Europäer ihren Einfluss beim IWF geltend gemacht haben, damit ihnen dieser optimistische Zahlen liefert. Früher war es so, dass der IWF recht vorsichtige Prognosen abgab. Diese Zeiten sind vorbei, zumal der IWF ein glühender Verfechter der ultralockeren, radikal anmutenden, Geldpolitik ist.
Es ist daher sehr gut möglich, dass die Schweiz entgegen den Prognosen des IWF die Eurozone im nächsten Jahr beim Wirtschaftswachstum überholt. Dann ginge an einer weiteren Abschwächung des Euros gegenüber dem Schweizer Franken kein Weg vorbei. Man sollte sich vergegenwärtigen, dass der Euro in diesem Jahr trotz eines höheren Wachstums der Eurozone gegen den Franken abgewertet hat. Zöge die Schweiz im nächsten Jahr an der Eurozone vorbei, müsste man mit einem EUR/CHF-Kurs von 1,06 rechnen.
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Fehleinschätzung mit gravierenden Folgen für EUR/CHF 2020
16.10.19
07:27