Normalerweise legt die SNB ihre geldpolitischen Entscheide immer eine oder zwei Wochen hinter die der EZB. Heute ist das anders. Es wird aller Voraussicht nach nichts von Tragweite kommen. Gleiches gilt für die erste Sitzung der EZB unter ihrer neuen Chefin Christine Lagarde. 2020ff dürfte sich das ändern.
"Die EZB wird sehr expansiv bleiben müssen. Sie wird mit den Obligationenkäufen fortfahren, sie wird sie sogar aufstocken. Vielleicht wird sie auch noch Aktienkäufe tätigen", sagt der Schweizer Vermögensverwalter André Kistler der "Neue Zürcher Zeitung". "Die südeuropäischen Länder sind nicht wettbewerbsfähig, ihre Schulden steigen und steigen. Wie Brüssel das lösen will, ist die große Frage."
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Der Zinsunterschied zwischen der Eurozone und der Schweiz ist zwar nach wir vor wichtig für den Euro-Franken-Kurs. Von zentraler Bedeutung sei die Zinsdifferenz laut dem Schweizer Beratungsunternehmen Wellershoff & Partner aber nicht mehr. Wäre der Zinsunterschied zur Eurozone so wichtig, wie die SNB stets behauptete, hätte sie andere Entscheidungen treffen müssen, zitiert Bloomberg den Ökonom Adriel Jost von Wellershoff & Partners.
Die EZB senkte den Einlagenzins im September 2019 von -0,40% auf -0,50%. Die SNB beließ auf ihren Einlagenzins auf der eine Woche später stattfindenden Sitzung jedoch bei -0,75%. Die EZB-Zinssenkung bei einer an der Seitenlinie stehenden SNB hat sich nicht so sehr in den Euro-Franken-Kurs eingefräst. Der Euro blieb wider Erwarten vieler Devisenexperten über 1,08 Franken.
Brexit
Gewinnt Boris Johnson heute eine Parlamentsmehrheit für einen geregelten Brexit-Austritt, wird das ganzer sicher nicht zu einem Höhensprung des Euro-Franken-Kurses führen. Umgekehrt dürften unklare Mehrheitverhältnisse (Hung Parliament) dem Euro kaum nach unten drücken. Für den Euro-Franken-Kurs ist das Brexit-Thema nicht mehr von Bedeutung.
Die Lage hat sich damit seit dem Volksentscheid um 180 Grad gedreht. Als sich die Briten im Juni 2016 aus der EU wählten, sank der Euro auf 1,06 Franken. Die SNB intervenierte seinerzeit mit Euro-Stützungskäufen, und verhinderte so einen noch tieferen Absturz.