Die Flucht in den Schweizer Franken hat in den letzten Wochen ein jähes Ende erfahren. Nutznießer ist der Euro. Er legt auf auf knapp 1,08 Franken zu. Das ist der höchste Stand seit Anfang 2020. Wie hoch tragen eingeengte Zinsspreads und der jede Menge Risikofreude ausstrahlende MSCI World den EUR/CHF-Kurs? Sehen wir 1,10? Oder ist bei 1,08 Schluss?
Dank der Hoffnung auf eine kraftvolle Erholung der Weltwirtschaft legt der Euro auf breiter Flur zu. Gegenüber dem Schweizer Franken kletterte er seit Mitte Mai von 1,0498 auf 1,0770 (+2,6). Der Euro-Dollar-Kurs stieg von 1,0770 auf 1,1205 (+4,0%). Gegenüber dem japanischen Yen ging es von 114,40 auf 121,80 (+6,5%) nach oben.
"Vor allem wenn der Euro gegenüber dem US-Dollar wieder Oberwasser bekommt, wird der Euro-Franken-Kurs bis Jahresende vermutlich auf 1,10 klettern", sagt die Landesbank Hessen-Thüringen. "Der Eurokurs befindet sich bereits seit einigen Tagen im Aufwind. Begründet wird die Entwicklung überwiegend mit dem milliardenschweren Corona-Aufbauplan der EU-Kommission", kommentiert die Thurgauer Kantonalbank.
Der Euro legt immer dann zu, wenn die innereuropäischen Zinsen konvergieren und die Weltwirtschaft einen Gang hoch schaltet:
- Italien hat seit Anfang Mai am Rentenmarkt knapp ein halbes Prozent aufgeholt. Der Zins auf 10-jährige italienische Staatsanleihen sank von 1,78% auf 1,50%. Der deutsche Bundesanleihe-Zins stieg von -0,58% auf -0,40%.
- Der MSCI World Index, ein internationaler Aktienindex, der die Wertentwicklung von Unternehmen in 23 Industrieländern abbildet, hat seit Mitte Mai noch einmal 190 Zähler draufgesattelt. Er notiert aktuell bei 2.187 Punkten und steht kurz davor über die 200-Tage-Linie zu steigen.
"Die Finanzmärkte sagen uns, es wird eine V-förmige Erholung der Weltwirtschaft", sagt Mark Mobius im Gespräch mit Bloomberg. Der Deutsch-Amerikaner gilt als Fondsmanager-Legende. Sein Spezialgebiet sind die aufstrebenden Volkswirtschaften.
Eine rasche Erholung der Weltwirtschaft von der Corona-Pandemie kommt dem Euro zugute. Dass der Schweizer Franken bis vor wenigen Wochen dominierte, war auch dem Umstand geschuldet, dass eine langwierige U-förmige Konjunkturerholung als wahrscheinlicher galt.
Für Furore an den Finanzmärkten sorgt der von Deutschland und Frankreich beschlossene EU-Wiederaufbaufonds. Es handelt sich um eine Art Marshallplan. "Die grundlegenden Herausforderungen der Eurozone werden durch den Vorschlag aber nur übertüncht". Für den Euro sei bis 2021 nicht mehr als 1,08, meint die St.Galler Kantonalbank.