Was bisher geschah:
- Der Eurokurs kletterte Anfang Juni 2020 auf 1,0915 Franken (6-Monatshoch)
- Mit diesem Anstieg riss er die zweijährige Abwärtstrendlinie, die im April 2018 bei 1,20 ihren Ursprung hat.
- Anschließend tauchte der Euro wieder ab, und so sank der EUR/CHF-Kurs am 1. Juli 2020 auf 1,0610 (5-Wochentief).
Bei etwa 1,0550 wäre eine gute Zone, um die Gegenbewegung abzuschließen. Jetzt ist noch die dritte Voraussetzung zu erfüllen: Eine deutliche Kursreaktion nach oben. Der Euro-Franken-Kurs müsste von 1,0550 über 1,06 zurückfinden. Dieser Anstieg sollte nicht länger als zwölf bis 24 Stunden dauern. Nun wäre der Weg frei für Kurse über 1,08.
Man sieht: Die Anforderungen an eine Trendumkehr sind extrem hoch. Ursache ist der zweijährige Abwärtstrend des EUR/CHF-Kurses. Jeder kennt den Spruch: "The trend is your friend". Es ist extrem schwierig, einen solchen Trend zu brechen. Neben der Möglichkeit ein Reversal über die drei Voraussetzungen Bruch der Trendlinie, obligatorische Gegenbewegung und kräftiger Zurückpraller herbeizuführen, gibt es eine weitere.
Dieser steht jedoch die Schweizerische Nationalbank (SNB) im Weg. Sie verhindert, dass der Eurokurs unter 1,05 Franken fällt und steht damit paradoxerweise höheren Eurokurse auf Sicht von drei bis sechs Monaten entgegen. Die zweite Möglichkeit einer Trendumkehr ist ein Durchbrechen der Parallelen der Abwärtstrendlinie, der so genannten Trendkanallinie.
Der Euro würde bei einem solchen Reversal zunächst auf etwa 1,03 Franken fallen. Damit wäre das Schlimmste überstanden. Es müsste keine Liste mit drei Voraussetzungen abgearbeitet werden. Wegen des "billigen" Euros und der entstandenen übermäßigen Entfernung vom fairen Wechselkurs basierend auf der Kaufkraftparität, wären nun genügend Käufer präsent. Sie wären imstande den Euro-Franken-Kurs auf 1,06-1,08 hochzukaufen.
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Bei der Schweizerischen Nationalbank sieht man das freilich anders: "Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste", ist ihr Motto. SNB-Chef Jordan fürchtet, dass Eurokurse unter 1,05 Franken die Schweizer Exporteure zum jetzigen Zeitpunkt zu sehr schädigen. Allerdings ist die Wirtschaft wegen der Corona-Pandemie bereits angeschlagen, was neue Chancen eröffnet.
Die Berner Regierung müsste die staatlichen Corona-Hilfszahlungen für Unternehmen erhöhen. Im Gegenzug könnte die SNB den Euro-Franken-Kurs runterlassen und die Euro-Stützungskäufe beenden. Das hätte aus Schweizer Sicht den großen Vorteil die hohe Abhängigkeit von der Eurozone und der Europäischen Zentralbank (EZB) zu verringern.