Die stärksten Aufwärtsbewegungen kommen nach herben Rückschlägen. Die Stimmung ist extrem düster. Anleger realisieren Verluste, weil sie sich ein Anstieg schlichtweg nicht mehr vorstellen können. Beim EUR/CHF-Kurs hätte man eine solche Situation bei einem Rückfall auf 1,05. Wird der Euro gegenwärtig überschätzt? Hat er sein Potenzial gegenüber dem Schweizer Franken längst aufgebraucht?
Eine engere Verzahnung der Schuldenagenturen der Euroländern, denen sich Regierungen bedienen, um Kredite aufzunehmen, zusammen mit der Schaffung einer Super-Schuldenagentur bei der EU-Kommission reicht nicht: Der Eurokurs hat trotz des von der Politik eingeschlagenen Weges in eine Haftungsunion bisher nicht die Marke bei 1,10 Franke geknackt.
EU-Aufbaufonds und Fiskaltransfers nach ostdeutschem Vorbild von dem Norden in den Süden der Eurozone waren womöglich gar nicht die Ursache für die Befestigung des Euros. Der in den letzten drei Monaten stattgefundene Anstieg von 1,05 auf 1,08 Franken könnte zur Gänze auf das Konto der Konjunktur gehen.
Das Wirtschaftswachstum in der Eurozone hat nach einer kräftigen Expansion im Juli im August wieder an Dynamik verloren, zeigen neue Einkaufsmanager-Daten. "Die Eurozone steht am Scheideweg: Entweder beschleunigt sich das Wachstum nach der anfänglichen Belebung in den nächsten Monaten wieder oder es gerät weiter in Stocken", sagt IHS-Markit-Ökonom Andrew Harker.
Auswertungen vom Devisenoptionsmarkt zeigten, dass das Vertrauen in den Euro nicht so hoch sei wie für den klassischen Sicheren Hafen Schweizer Franken, erläutert Vassilis Karamanis von Finanzdienst Bloomberg. Es sehe so aus, dass die engere fiskalische Verzahnung der Eurozone nicht ausreiche, damit der Euro den Status eines Sicheren Hafens erlange, so Karamanis.
Der zweijährige Abwärtstrend des Euro gegenüber dem Schweizer Franken sei ausgehöhlt, analysiert die Charttechnikerin Karen Jones von der Commerzbank. Es sei daher von einem Anstieg des Euro auszugehen. Als Kursziele nennt sie 1,0915 und 1,1058 Franken.
Diese Einschätzung widerspricht der Regel, dass nach der Verletzung einer Abwärtstrendlinie fast immer ein Test des alten Tiefs stattfindet. Erst wenn dieser Test bestanden ist, sind die Short Seller weg, der Weg für eine kräftige Aufwärtsbewegung ist frei. Und so lässt sich auch die Commerzbank-Charttechnikerin eine Hintertür offen: Sie spricht von einem ausgehöhlten EUR/CHF-Abwärtstrend, nicht aber von einem beendeten.
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