Die Corona-Krise wird der Wirtschaft in der Eurozone nach neuen Prognosen der Europäischen Zentralbank (EZB) weniger stark zusetzen als bislang angenommen. Der Euro hat das mit einem merklichen Anstieg honoriert. Er kletterte bis auf 1,20 US-Dollar und erreichte damit den höchsten Stand seit mehr als zwei Jahren. Zum Franken fristet der Euro hingegen bei 1,07-1,08 ein Schattendasein.
EZB-Chefin Lagarde wird laut Unicredit die Geldschleusen weiter aufreißen: "Wir prognostizieren eine Aufstockung um 500 Milliarden Euro bis Ende 2021, die spätestens im Dezember bekannt gegeben werden dürfte." Damit untergräbt die italienische Großbank ihre Währungsprognose von 1,12. Grundsätzlich schließen sich mehr Geld aus der EZB-Notenpresse und ein starker Euro zum Franken gegenseitig aus.
Der Euro muss über die Schiene "schwache Schweiz" gegenüber dem Franken zulegen. Von "Sand in Getriebe der Schweizer Wirtschaft" spricht BAK Economics. "Nach der sprunghaften Wiederbelebung im dritten Quartal wird die konjunkturelle Dynamik im Winterhalbjahr 2020/21 daher nochmals versiegen." Ob der Euro daraus Kapital schlägt, ist jedoch aufgrund des noch fragileren Zustands der Eurozone unwahrscheinlich.
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"Wenn wir von Jahren sprechen, dann geht die Reise wahrscheinlich Richtung Parität", sagt UBS-Chefökonom Daniel Kalt im Gespräch mit cash.ch. Mit Blick auf den Kursverlauf in den nächsten sechs bis zwölf Monaten rechnet er mit 1,05-1,10. Damit das gelinge, müsse aber schon alles glattlaufen. Die Aktienmärkten dürften nicht wieder abtauchen und die Konjunkturaussichten sich eintrüben.
Fazit
Hohen Euro-Prognosen von 1,12 oder 1,14 Franken fehlen stichhaltige Argumente. Mehr Geld aus der EZB-Notenpresse und ein steigender Euro-Franken-Kurs sind zwei Dinge, die sich gegenseitig ausschließen. Das zeigt das spektakuläre Ende des Euro-Mindestkurses bei 1,20 Franken. Auf eine Underperformance der Schweizer Wirtschaft als Treiber einer Frankenschwäche zu bauen, ist ebenfalls riskant.
Wenn es wirklich gut für den Euro läuft, kann er es in den nächsten Monaten auf 1,10 Franken, mit einem kurzen Überschießen auf 1,12 Franken, schaffen. Spätestens danach kommt die Frankenstärke zurück. Der Devisenmarkt wird den von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) während der Corona-Pandemie verteidigten inoffiziellen Euro-Mindestkurs bei 1,05 Franken erneut testen.