Gravierend ist die Aufwertung des Frankens bisher nicht. Er wurde 1% gegen den Euro stärker. Das ist vollkommen normal. Jedem war bewusst: Weil die Schweiz den Franken nicht fest an den Euro bindet, werden die Kursausschläge zunehmen.
In den Franken-Kredit-Hochburgen Ungarn und Polen sind die Ausschläge stärker. So hat der Schweizer Franken dem ungarischen Forint und polnischer Zloty in den letzten Wochen mehr als 2% abgenommen.
"Wegen der zweiten Corona-Infektionswelle bleibt EUR/CHF unter Druck", sagt Ulrich Leuchtmann von der Commerzbank. Der Schweizerischen Nationalbank (SNB) sollte es aber laut dem Experten gelingen ein Absturz zu verhindern.
Allgemeiner Tenor unter Devisenexperten: In den kommenden Wochen und Monaten wird es der Euro schwer haben sich gegenüber dem Schweizer Franken zu behaupten.
Hilfsgeld-Tsunami
Die Europäische Zentralbank (EZB) wird bei ihren Staatsanleihenkäufen noch einmal draufsatteln. Damit sie das tut, will sie aber erst Gewissheit, dass die 750 Milliarden Euro aus dem EU-Aufbaufonds Anfang 2021 beginnen zu fließen.
Mehrere EZB-Vertreter haben sich zuletzt besorgt über Verzögerungen bei der Auszahlung der Hilfsgelder gezeigt. Die derzeitige Verschärfung der Corona-Situation wird allerdings den Druck auf die Politik wieder erhöhen. Die Chancen stehen somit gut, dass die Gelder wie geplant fließen.
Voraussichtlich Anfang 2021 hat die Eurozonen-Wirtschaft dann das Schlimmste überstanden. Nun dürfte es zu einer recht langen wirtschaftlichen Erholung kommen. Aufgrund des EU-Aufbaufonds und aufgestockten EZB-Staatsanleihenkäufen wird so viel Geld im Finanz- und Wirtschaftskreislauf sein wie nie zuvor.
Mit diesen riesigen Summen lassen sich die strukturellen Probleme der Euroländer übertünchen. Einhellige Meinung unter den meisten Devisenexperten aus Österreich und Deutschland: Während dieser Zeit wird der Euro gegenüber dem Schweizer Franken um mindestens 3%, im besten Fall sogar um 5% zulegen.
Weiterlesen: Wo wird der Euro-Franken-Kurs in einem Jahr stehen?
Die Gretchenfrage: Von welchem Ausgangsniveau?
- Fällt der Euro erneut auf 1,05 Franken, so wie im Frühjahr, stünde er im nächsten Jahr mit einem Plus von 3% bei 1,08 Franken. Das wäre etwas höher als aktuell.
- Könnte der Euro-Franken-Kurs schon bei 1,06 die Kurve kratzen und 2021 um 5% zulegen, hätte man einen recht hohen Kurs von 1,11.
Oder EUR/CHF sinkt, weil Anleger aus der Eurozone wegen den vielen wirtschaftlichen Schwachstellen ihres Währungsraums und den daraus resultierenden mangelnden Investitionsmöglichkeiten so stark in der Schweiz investieren wie nie zuvor.