In Brüssel kennt man das schon: Eine Regierung stellt sich als EU-Opfer da, um bei den heimischen Wählern gut anzukommen. Die Schweiz klagt über Nadelstiche. Die EU will die rund 120 bilateralen Verträge nicht aktualisieren, nachdem Bern die Verhandlungen über das Rahmenabkommen platzen ließ.
EU-Vertreter haben es dutzendmal gesagt: Ohne das Rahmenabkommen werde man die für die Schweizer Exportunternehmen so wichtigen Verträge nicht aktualisieren. Bei der Börsenäquivalenz, Medizintechnik und dem Datenschutz gibt es bereits Probleme für Schweizer Unternehmen.
Erodiert der Franken mit?
Vor einer "stetigen Erosion der bilateralen Verträge", warnt Christoph Mäder, Chef von Economiesuisse, dem größtem Wirtschaftsverband der Schweiz, im Gespräch mit der deutschen Zeitung "Wirtschaftswoche". Ob daraus auch eine Erosion für die Entwicklung des Frankens zum Euro wird, muss man aber mit einem großen Fragezeichen versehen.
"Unsere Unternehmen werden sich in der einen oder anderen Form anpassen. Viele Schweizer Firmen haben Niederlassungen oder Partner in der EU und können über diese Strukturen die entsprechenden Anforderungen auch anders erfüllen", erklärt Mäder. Die Schweizer Binnenwirtschaft sei lediglich indirekt betroffen.
Bundespräsident Parmelin und seinen Kollegen stand die Tür offen der Einladung von Ex-EU-Chef Juncker zu folgen und weiterzuverhandeln. Brüssel hatte angeboten, die strittigen Vertragstexte noch einmal Zeile für Zeile durchzugehen. Man hätte womöglich lange Übergangszeiten bei den Löhnen und der Unionsbürgerichtlinie vereinbaren können.
Bis die rumänischen Familie in die Schweiz kämen und dort von Sozialhilfe lebten (das scheint ja die große Angst zu sein) wären Jahre verstrichen. Wahrscheinlicher ist sogar, dass sie niemals gekommen wären. Rumänien könnte in wenigen Jahren eines der wachstumsstärksten EU-Länder sein. Weder die gut ausgebildeten noch die weniger gut ausgebildeten zöge es noch in die Schweiz.
Die Schweizer Unternehmen dürften laut Economiesuisse-Chef Mäder auch ohne Rahmenabkommen zurechtkommen. Um die nicht aktualisierten bilateralen Verträge zu kompensieren, flössen Investitionen verstärkt in ihre EU-Standorte. Für den Wechselkurs des Schweizer Frankens ist das ein Nullsummenspiel.
- Der Franken wertet etwas ab, wenn Schweizer Unternehmen zur Erhöhung ihrer EU-Direktinvestitionen Franken in Euro tauschen.
- Werden die in den EU-Zweigniederlassungen gemachten Gewinne in die Schweiz geholt (in der Regel geschieht das gegen Jahresende), wird der Franken wieder stärker.