Eine Änderung des Inflationsziels sei nicht die richtige Lösung für die Schweiz, sagt SNB-Präsident Thomas Jordan. Hintergrund: Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte in der vergangenen Woche ihr Inflationsziel zum zweiten Mal aufgeweicht. Der Euro geriet daraufhin gegenüber dem Schweizer Franken unter Verkaufsdruck.
Das Thema Geldentwertung gewinnt an Bedeutung. Die jährliche Inflationsrate in den USA kletterte im Juni auf 5,4%, meldete das US-Statistikamt gestern. Es war der stärkste Anstieg seit 2008. Die US-Kerninflationsrate schoss so deutlich nach oben wie das letzte Mal im September 1991.
Es ist stark davon auszugehen, dass der Inflationsdruck in den kommenden Monaten auch in Europa deutlich zunehmen wird, als die europäische Konjunkturerholung der amerikanischen hinterherhinkt. In diesem Umfeld hat die EZB nun beschlossen ihr Inflationsziel aufzuweichen. Das ist paradox.
Die Europäische Zentralbank startete 1998 mit einem Inflationsziel von kleiner 2%. Anfang der 00er-Jahre weichte man dieses Ziel dann zum ersten Mal auf, in dem es auf "knapp 2%" hochschraubte. Durch die jetzige Erhöhung auf glatt 2% zusammen mit der zukünftigen Tolerierung von Inflationsraten von über 2% (Stichwort: symmetrisches Inflationsziel) weicht die EZB ihr Inflationsziel zum zweiten Mal auf.
Jeder weiß natürlich, warum sie das macht: Die EZB will sich mehr Spielraum verschaffen, um den hochverschuldeten Euroländern weiter unter die Arme greifen zu können. Notenbankchefin Lagarde kündigte gerade an, das Corona-Staatsanleihen-Kaufprogramm Anfang 2022 in ein neues Format zu überführen.
Dieser Ausblick ist desaströs für die Chancen des Euros sich gegenüber dem Schweizer Franken zu befestigen. Umgekehrt wäre der Euro-Franken-Kurs hochgeschossen, wäre die EZB auf ihr ursprüngliches Ziel, eine Inflation von höchstens zwei Prozent zu akzeptieren, zurückgegangen.
Das wäre ein klares Warnsignal an Euroländer mit hohen Schuldentürmen, es nicht zu übertreiben. Vor allem Italien und Spanien wären nun angehalten, mit Reformen für mehr Arbeitsplätze, ein stärkeres Wachstum und mehr Steuereinnahmen zu sorgen. Diese Reformen werden nicht gemacht, weil die EZB auch in den kommenden Jahren Gratis-Geld (zinslose Darlehen) auf sie herabregnen lässt.
Verführerische Asset-Blasen
Damit zeigt der EUR/CHF-Ausblick für die Jahre 2022 bis 2025 nach unten. Es ist mit Wechselkursen von 1 Euro = 1,05 Franken (2022) bis 1 Euro = 1 Franken (2025) zu rechnen. Um die von der EZB nun eingeschlagenen zwei Pfeiler (1) höhere Geldentwertung, 2) Fortsetzung der Staatsanleihenkäufe wieder rauszuholen, bräuchte es einen europäischen Paul Volcker.
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Volcker hatte in den 1980er-Jahren als US-Notenbankchef die Geldpolitik gestrafft, und damit die Hochinflationsphase beendet. Er scheute auch vor einer Konfrontation mit Präsident Ronald Reagan nicht zurück, dessen Berater James Baker ihm seinerzeit drohte: "Der Präsident befehlt ihnen die Zinsen nicht anzuheben." Volcker hob die Zinsen dennoch an.
In Europa sind sich viele darüber im Klaren, dass die dauerhafte Staatsfinanzierung per EZB-Notenpresse zu massiven Fehlanreizen führt und dem Wirtschaftsstandort langfristig schadet. Diese Leute lassen sich nicht selten von den stets steigenden Aktien- und Immobilienpreisen, die die ultralockere Geldpolitik der EZB mitbringt, verführen.