Angesichts eines EUR/CHF-Kurses von 1,0705 ist die Schweizerische Nationalbank (SNB) gefragt. Wegen der zähen Regierungsbildung in Deutschland und eines unerwartet schwachen Auftragseingang schwebt der Eurokurs in Gefahr auf den tiefsten Stand in diesem Jahr heruntergereicht zu werden. Langfristig droht er im Stagflationsgrab zu enden. Schiebt die SNB dem einen Riegel vor? Oder lässt sie den EUR/CHF-Kurs auf seiner Talfahrt gewähren?
Die SNB fuhr im zweiten Quartal 2021 hat ihre Deviseninterventionen hoch. Sie intervenierte mit 5,44 Milliarden Franken – nach 0,3 Milliarden im ersten Quartal, wie aus einer in der letzten Wochen publizierten Statistik der Notenbank hervorgeht. Der Trend zu stärkeren Euro-Stützungskäufen dürfte sich im dritten Quartal fortgesetzt haben. Im August führte die SNB laut Marktbeobachtern umfangreiche Interventionen durch, um ein Absinken des EUR/CHF unter 1,07 zu verhindern.
Deutschlands Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe brach im August überraschend stark um 7,7% ein. Das Minus fiel dreimal so hoch aus wie erwartet. Darüber hinaus sanken die Chancen auf ein Jamaika-Bündnis in den letzten Tagen deutlich. CDU/CSU mit FDP und Grünen wäre aus devisentaktischer Sicht keine schlechte Sache für den Euro. Daraus wird aber wohl nichts.
Es läuft auf eine Mitte-Links Ampelkoalition hinaus. Die SPD, und vor allem die Grünen, sind Eurobonds sehr zugetan. Österreichs Bundeskanzler Kurz warnt bereits vor einer Vergemeinschaftung der Schulden. Die letzten Hoffnungen beruhen nun darauf, dass die FDP in einem Koalitionsvertrag Eurobonds ausschließen kann und Parteichef Lindner nächster deutscher Finanzminister wird.
EUR/CHF ist nach einem weiteren Low-2-Verkaufsignal von 1,0770 auf 1,0705 abgesackt. Der Abwärtskanal zeigt: Der Euro ist inmitten eines roten Oktobers. Laut den Charttechnik-Experten der Commerzbank dürfte EUR/CHF auf 1,0629 sinken. Die Talfahrt läuft bisher geordnet ab. Von einem Flash-Crash des Euro, der die Planungsicherheit Schweizer Unternehmen untergraben würde, kann keine Rede sein. Die SNB wird sich daher zweimal überlegen müssen, ob sie eingreift.
Der Devisenmarkt ist dabei für die Eurozone eine Stagflation einzupreisen (kleines oder gar kein Wachstum bei hoher Inflation). Das zeigt auch der immer tiefer fallende Euro-Dollar-Kurs. Für die Schweiz besteht hingegen kein Stagflationsrisiko. Eurozonen-Stagflation bedeutet auch, dass der faire Wechselkurs (basierend auf der Kaufkraftparität) rascher unter 1,10 fällt. Laut den Banken liegt dieser faire EUR/CHF-Kurs aktuell bei 1,12-1,15.