Es braut sich etwas zusammen: Die Schweiz beißt in Brüssel auf Granit. Auf dem Spiel steht nichts Geringeres als ihr Zugang zum größten Binnenmarkt der Welt. Bisher haben die wirtschaftlichen Folgen des geplatzten Rahmenabkommen den Schweizer Franken in Ruhe gelassen. Wie lange noch?
Die offizielle Beerdigung des EU-Rahmenabkommen am 26. Mai 2021 durch den Berner Bundesrat konnte dem Schweizer Franken nichts anhaben. Tatsächlich hat der Euro seitdem deutlich eingebüßt. Sein Gegenwert verringerte sich von 1,10 auf 1,04 Franken.
Eine auf Ersuchen der Schweiz abgehaltene Sitzung mit der EU zur Wiederherstellung des privilegierten Marktzugangs für die Schweizer Medizintechnik-Branche endet derweil in einem Fiasko. Zwei Wochen zuvor hatte sich bereits der Schweizer Außenminister Cassis in Brüssel eine Abfuhr geholt.
Die Schweiz versucht die alten Streitfragen unter den Teppich kehren: Es geht um die Unionsbürgerrichtlinie (EU-Bürger bekämen einfacher Sozialhilfe in der Schweiz). Überdies will die EU mehr Lohnwettbewerb sehen, als ihr der Kontrast zum EU-Binnenmarkt zu groß ist. Bern lehnt es ab das Thema hohe Löhne anzutasten.
Einem Ende der Eiszeit stimme die EU nur zu, wenn die Schweiz eine Zusage mache, dass sie auch bereit sei, zur Lösung der alten Streitfragen beizutragen, hob EU-Vizepräsident Sefcovic nach dem Treffen mit Cassis hervor.
Aussitzen gefährlich für Franken
Das Thema "geplatztes Rahmenabkommen" bleibt damit auf dem Radarschirm des Devisenmarktes. Die EU sitzt am längeren Hebel, als sie die Aufdatierung von branchenspezifischen Einzelabkommen, die für Schweizer Unternehmen notwendig sind, um handelshemmnisfrei auf dem EU-Binnenmarkt zu agieren, verweigert.
Noch trifft es mit den Medizinproduktherstellern eine eher kleine Branche, deren Handel mit der EU vergleichsweise gering ausfällt. Sollte jedoch die Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM-Industrie) ihren Zugang zum EU-Binnenmarkt verlieren, könnte das die Schweiz ein halbes bis volles Prozent Wachstum kosten.
Spätestens jetzt käme Bewegung in den Wechselkurs. Der Franken müsste sich wegen des konjunkturellen Gegenwinds zum Euro abschwächen. Schweizer Kommentatoren befürchten bereits, dass es so abläuft wie beim Ende des Bankgeheimnisses: Auch damals hatte Bern versucht auszusitzen.