2022 übertrumpfen die Euro-Staaten die Schweiz beim Wachstum. Dadurch nimmt die Dominanz des Schweizer Franken ab. Der Euro bekommt Wind unter die Flügel. Gegen Jahresmitte macht sich dann Ernüchterung breit. Die Einmaleffekte sind verpufft, der Euro wird auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.
"Wir gehen davon aus, dass sich die wirtschaftliche Erholung, angetrieben von einer robusten Binnennachfrage, fortsetzt", erwartet die Europäische Zentralbank (EZB). Dies werde dann zu einem Wirtschaftswachstum in den Euroländern von 4,2% führen, ist sich die Notenbank sicher.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) geht ebenfalls davon aus, dass "sich die Konjunkturerholung nächstes Jahr fortsetzt". Tatsächlich hat die Schweiz bereits ihre Wirtschaftsleistung von vor der Pandemie wieder erreicht. Die Bezeichnung Konjunkturexpansion wäre daher treffender.
Entweder ist die Verwechslung der Begrifflichkeiten in der SNB-Lagebeurteilung ein Lapsus. Oder aber man stapelt absichtlich tief, um den Vorsprung der Schweiz gegenüber der Eurozone zu kaschieren und auf diese Weise etwas Aufwertungsdruck vom Schweizer Franken zu nehmen.
2022 rechnet die SNB mit einem Wirtschaftswachstum in der Schweiz von 3%. Das wäre 1,2% niedriger als in der Eurozone. Sollte es tatsächlich so kommen, müsste sich der Schweizer Franken zum Euro abschwächen.
Optimismus statt Realismus
Seit 2015 hat es sich eingebürgert, dass Notenbanker immer dann mit ihren Wachstumsprognosen nach oben gehen und sehr optimistisch klingen, wenn sie ihre Konjunkturhilfen in Form des Aufkaufs von Staatsanleihen drosseln. Die Amerikaner haben dieses Spiel perfektioniert.
"Ich gehe ins nächste Jahr und habe das Gefühl, dass die Aussichten (für die US-Wirtschaft) sehr gut sind." So zuversichtlich zeigte sich gerade der Chef der mächtigen New Yorker Fed, John Williams, im Gespräch mit CNBC.
Überdies hat es sich eingebürgert, dass die EZB in Sachen ultralockere Geldpolitik der US-Notenbank (Fed) alles nachmacht – ja sogar noch aggressiver zu Werke geht. So hat die EZB ihre Bilanzsumme im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung doppelt so stark aufgebläht wie die Fed.
Die Amerikaner sind allerdings auch recht konsequent, wenn es darum geht, den Fuss vom Gaspedal zu nehmen. Das unterscheidet sie von den meisten EZB-Mitgliedern, deren Kompassnadel permanent auf ultralockere Geldpolitik steht.
Fazit und Ausblick
Die Eurozone ist wegen strukturellen Schwächen nicht in der Lage ein um 1,2% höheres Wirtschaftswachstum für das Gesamtjahr zu erreichen. Dadurch sind die Möglichkeiten des Euro sich gegenüber dem Schweizer Franken aufzuwerten, begrenzt.
Die Eurozone dürfte im Frühling, wenn die Lockdowns überstanden sind, wegen hohen Konsumausgaben und einer besser laufenden Weltwirtschaft überdurchschnittlich wachsen. Der Euro hätte in dieser Phase die Möglichkeit kurz auf 1,08-1,10 Franken zu steigen.
Spätestens in der zweiten Jahreshälfte wird der Schweizer Franken dann aber erneut seine Überlegenheit ausspielen, zumal die Inflation in der Schweiz um mindestens 2% niedriger bleiben dürfte als in der Eurozone.