Steigende Zinsen sind ein süßes Gift für den Euro, und so ist der EUR/CHF-Kurs im Aufwind. Der Schweizer Franken schlägt aus im Gebälk knisternden Finanzmärkten (die Ersten sprechen von einem Börsencrash) kein Kapital. Steigt der Euro weiter auf 1,07 Franken? Oder rennen flüchtende Anleger der Schweiz doch noch die Tür ein, so dass es auf ca. 1,02 runtergeht?
Die Europäische Zentralbank (EZB) kündigt in einer nie dagewesenen Deutlichkeit an, im Sommer den Leitzins zu erhöhen. Selbst die mächtige Weichwährungs-Fraktion, also die Vertreter Frankreichs, Italien und der anderen Südländer in diesem mit 25 Professoren und Politikern aufgeblähten Notenbank-Parlament, fordern eine straffere Geldpolitik.
Trotz des Ukraine-Kriegs, dem steilen Anstieg der Energiekosten sowie der derzeit umgreifenden Angst vor einem Börsencrash ist sie immer noch da: Die während der Corona-Zeit aufgestaute Konsumnachfrage. Sie entlädt sich gerade, zumal die letzten großen Corona-Angstmacher in Deutschland und Österreich von dannen ziehen.
Für den Euro sind Zinsschwenk und Corona-Konsumnachfrage Antriebsfedern, und so steigt er zwischenzeitlich bis auf 1,0515 Franken (3-Monatshoch). Hinzu kommt: Die Schweiz ist nicht immun gegen Geldentwertung. Die Konsumentenpreise und die für die Unternehmen wichtigen Erzeugerpreise stiegen im April mit jährlichen Raten von 2,5% und 6,7% stärker als erwartet.
Zuletzt sank der Euro von 1,0515 auf 1,0415 Franken. Für die einen ist das der Auftakt zur Rückbesinnung auf Sichere Häfen. Neben dem Franken hatte sich auch der als sicher geltende Japanische Yen in den letzten Wochen trotz Börsengewitter und hoher Risikoscheu empfindlich abgeschwächt. Damit sei es nun vorbei.
Obschon die Teuerung in der Schweiz über 2% ist und damit das Preisstabilitätsmandat der Schweizerischen Nationalbank (SNB) verletzt, ist es bei weitem nicht so schlimm wie in der Eurozone und den USA. Auch in Japan ist die Inflation tief. Den aktuellen Stärkephasen des Euro und US-Dollar gegenüber dem Schweizer Franken fehle damit ein solides Fundament, mäkeln die Franken-Fans.
Die anderen blicken mit Scheuklappen auf die kurzfristigen Zinsen und erwarten eine Fortsetzung der Schwächephase des Schweizer Franken. Die SNB habe ihre eiserne Faust auf den extrem negativen Leitzins (-0,75%). Daran werde sich trotz der gestiegener Teuerungsrisiken nichts ändern, sagen sie.
Gleichzeitig habe die EZB den Prozess gestartet die Zinsen anzuheben. Die damit verbundenen Erwartungen an eine straffere Geldpolitik sind sehr stark, weshalb die mangelhafte Geldwertstabilität des Euro momentan nicht zum tragen kommt, lässt sich argumentieren.
Man kann sogar noch einen Schritt weiter gehen: Die Erwartungshaltung und Zuversicht ist extrem hoch. Marktakteure, die gegenwärtig den Euro kaufen und den Schweizer Franken verkaufen, sagen im Grunde genommen Folgendes:
- Die Zinsen im Euroraum werden deutlich steigen.
- Die Inflation wird spürbar sinken.
- Das Wachstum, das die Euro-Südländer, allen voran Italien brauchen, um wegen ihren Schuldenbergen von den Finanzmärkten nicht belangt zu werden, wird künftig vom Himmel regnen.
Die nächsten drei Monate
Das Abwägen von Übertreibungen gehört zum Tagesgeschäft am Devisenmarkt. Der Anstieg des Euro in den letzten zwei Monaten von 0,9970 Franken auf 1,0515 Franken war keine Übertreibung, sondern eine reguläre Erholung. Der Euro brach nach Kriegsausbruch zu sehr ein. Das wurde rückgängig gemacht.
Bis zum Spätsommer dürfte 1,04-1,07 für den Euro-Franken-Kurs ein ausgewogene Relation sein. Sollte EUR/CHF über 1,07 hochschießen, wäre das eine Übertreibung, die in der zweiten Jahreshälfte, spätestens Anfang 2023, rückgängig gemacht werden würde.
1,02 bis 1,04 ginge noch gerade so in Ordnung. Ein solches Kursband wäre geboten, sollte sich die Wirtschaft in der Eurozone wegen dem anhaltenden Krieg in der Ukraine und neuem konjunkturellen Gegenwind aus den USA und China schlechter entwickeln als erwartet.
Bei einem Eurokurs unter 1,02 Franken in den kommenden Monaten wäre der Schweizer Franken für den Moment stark. Sollte das Devisenpaar jedoch im Schlussquartal 2022 oder 2023 unter 1,02 fallen, wäre es ein fairer Wechselkurs, der im Einklang mit der Kaufkraftparität stünde.