Die Schweizer Wirtschaft trumpft dank steigenden Exporten und sinkenden Importen auf. Demgegenüber steht eine defizitäre Eurozone. Devisenexperten sprechen von einem "Sea Change", also einer fundamentalen Veränderung. Der Euro ist bei 1,03 Franken überbewertet, so die Schlussfolgerung. Indes kocht die Inflation in Teilen der Eurozone auf 20% hoch.
"Die Handelsbilanz schloss mit einem Überschuss von 3,8 Milliarden Franken", meldet das Bundesamt für Zoll. Der Überschuss im April 2022 fiel 20% höher aus als von Ökonomen erwartet. Das von Skeptikern der Frankenstärke oft angeführte Argument, wonach ein starker Schweizer Franken schlecht sei für die heimische Wirtschaft, hat sich damit wieder einmal als falsch erwiesen.
Überdies kristallisiert sich heraus, dass das in der Eurozone seit acht Jahren praktizierte Weichwährungsmodell mehr schadet als nützt. Die Handelsbilanz der Euroländer rutschte im März 2022 mit 17,6 Milliarden Euro ins Minus. Einen so großen Fehlbetrag hatte es zuletzt 1999 gegeben.
Mit einem stärkeren Euro hätten sich Energieimporte nicht so rasant verteuert. Die Inflation, die im Euroraum im Mai mit 8,1% ein Rekord erreichte, wäre tiefer. Aber davon wollen Frankreich und die Südeuropäer nichts wissen. Ein weicher Euro ist für sie Garant sich vor wirtschaftlichen Reformen zu drücken. Italien, das mit einer weichen Lira jahrzehntelang die eigenen Bürger austrickste, ist mahnendes Beispiel.
In Deutschland und Österreich muss man sich an die neuen Bedingungen, die der weiche Euro schafft, erst noch gewöhnen. Hier hatte die Politik nach dem Zweiten Weltkrieg davon abgesehen, mit einer hohen Inflation Staatsschulden runterzumanipulieren. Das wurde mit harten Währungen belohnt.
Eine Riesenenttäuschung ist das Verhalten der baltischen Länder. Estland, Lettland und Litauen haben inzwischen Inflationsraten von 20%. Bereits vor dem Ukraine-Krieg war die Teuerung hier zwei bis dreimal so hoch wie im Rest der Eurozone. Gleichwohl kam und kommt von ihren Vertretern im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) mit Blick auf Leitzinserhöhungen seit Jahren überhaupt nichts.
Estland, das hochmodern und fortschrittlich sein will, kanzelt deutsche Inflationsbedenkenträger als altmodisch ab. Aber vielleicht sollten sich die Esten einmal das zu Herzen nehmen, wovor US-Notenbankchef Jerome Powell kürzlich warnte: "Volkswirtschaften funktionieren nicht ohne Preisstabilität."
Fazit und Ausblick
Die Schweiz zieht davon: Zu einer um fünf Prozent niedrigeren Inflation im Vergleich zur Eurozone kommt der Handelsüberschuss. Der wiegt umso schwerer, als die Euroländer damit begonnen haben über ihren Verhältnissen zu leben. Sie importieren mehr als sie exportieren.
Sollte sich der Trend zu einer negativen Handelsbilanz der Eurozone in den nächsten Monaten bestätigen, würde das die Attraktivität des Schweizer Franken weiter erhöhen. Der Traum der Euro-Fans, das man den EUR/CHF-Kurs mit ein paar EZB-Leitzinserhöhungen (oder dem bloßen Gerede darüber) auf 1,05 oder gar 1,10 bekommt, zerplatzt dann wie eine Seifenblase.
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