Der Euro möchte seine ellenlange Abwärtsbewegung zum Schweizer Franken beenden. Hilfe kommt aus Deutschland. Die stabil gebliebene Teuerung in der Schweiz untermauert eine Gegenbewegung des EUR/CHF. Die steile Leitzinskurve der Schweizerische Nationalbank (SNB) flacht sich ab.
Aktuell gibt es für 1 Euro 98 Rappen – nach 97 Rappen vor einer Woche. Die leichte Aufwärtstendenz steht auf der Kippe, als durch den Pelosi-Besuch in Taiwan die Attraktivität des als sicheren Hafen wahrgenommene Schweizer Franken steigt. Franken-Fremdwährungskreditnehmer haben eine Warnung der Erste Group im Hinterkopf:
"Im Fall der Zuspitzung von geopolitischen Risiken könnte der Franken zum Euro jederzeit weiter befestigen."
Bei zentralen Fundamentaldaten bekommt der Euro Unterstützung: Die deutsche Wirtschaft hat im Juni einen unerwartet hohen Exportüberschuss erzielt, meldet das Statistische Bundesamt. Der Außenbeitrag Deutschlands ist neben dem Rückgang der hohen Euro-Inflation eine wichtige Voraussetzung, um die Talfahrt des Euro-Franken-Kurses zu stoppen.
Geldwertstabilität
Die Inflationsrate in der Schweiz stabilisierte sich im Juli mit 3,4% auf dem Niveau des Vormonats. "Daraufhin verflogen auch vorerst die Gerüchte um eine außerordentliche Zinserhöhung seitens der SNB und so verlor der Schweizer Franken wieder an Wert", erläutert die Thurgauer Kantonalbank.
Wäre die Teuerung auf 3,6% oder höher gestiegen, hätte man in diesem Monat mit einer außerplanmäßigen Zinserhöhung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) rechnen müssen. Notenbankchef Thomas Jordan hat sich bei der Inflationsbekämpfung klar positioniert. Er forciert Leitzinserhöhungen, als sie in alle Ritzen der Volkswirtschaft vordringen und die dort sitzenden Teuerungskeime bekämpfen.
Im Euroraum hat die Geldwertstabilität hingegen ein weiteres Mal gelitten, und so stieg die Inflation um 0,3% auf 8,9%. Was die Verbraucher an Preiserhöhungen in den Supermärkten sehen, liegt deutlich darüber. Aufs Jahr hochgerechnet sind hier Preissteigerungen von 20% und mehr Gang und Gebe.
Der Unterschied zwischen dem stark inflationierten Euroraum und der schwach inflationierten Schweiz hat sich im Juli um 0,3% auf 5,5% ausgeweitet. Das ist im historischen Vergleich extrem hoch. In den 00er-Jahren hatte die Differenz im Schnitt bei 1% gelegen. In den Jahren bis Covid waren es 1,5%.
Ausblick
In der kurzen Sicht steht der ausgeweitete Inflationsunterschied einem Anstieg des Euro zum Franken nicht im Weg. Ursache: Wegen der stabil gebliebenen Teuerung in der Schweiz ist eine außerplanmäßige SNB-Zinserhöhung vom Tisch. Auch sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Monster-Leitzinserhöhung um 0,75% auf der Sitzung im September.
Der Eurokurs hat etwas Platz, bevor er sich den Kopf stößt. Gelingt es ihm den charttechnischen Widerstand bei 0,98 CHF zu knacken, wäre ein Anstieg auf 0,9950 angezeigt. Bliebe er hingegen bei 0,98 oder der 20-Tage-Linie hängen, liefe es auf einen Test des Rekordtiefs bei 0,9699 vom 29. Juli hinaus. Bei einem solchen Test wird
- das Rekordtief entweder unterboten (Overshooting) und ein tieferes Tief (TT), sprich: ein neues Rekordtief gebildet.
- das Rekordtief nicht erreicht (Undershooting). EUR/CHF würde bei etwa 0,9720-0,9750 ein höheres Tief (HT) erhalten.
- das Rekordtief punktgenau erreicht und ein Double Bottom (DB) gebildet.
Am wahrscheinlichsten ist, dass es auf einen leichten Anstieg des Euro auf etwa 0,99 CHF hinausläuft und der Wechselkurs anschließend von einem Low 2 oder Low 3 Verkaufsignal heimgesucht wird.
1. Praxisbeispiel Low-2-Verkaufsignal EUR/CHF-Kurs
2. Praxisbeispiel Low-2-Verkaufsignal EUR/CHF-Kurs