Die Kursgewinne des Euro sind die größten seit drei Monaten. Wer den Euro kauft, genießt etwas Rückenwind. Der hohe Vorsprung des Schweizer Franken verkleinert sich. Die Deutschen sind die treibende Kraft dahinter. Die Chancen für einen EUR/CHF-Kurs mit einer eins als Vorkommastelle steigen merklich.
Deutschlands Bundesbankchef macht sich für eine Leitzinserhöhung im XXL-Format stark. "Die Geldpolitik muss entschlossen reagieren, um die Glaubwürdigkeit des Inflationsziels zu bewahren", sagt Joachim Nagel. Abwarten und Tee trinken sei der falsche Ansatz. "Die Inflationsraten kehren nicht von allein zum Inflationsziel der Notenbank zurück", so Nagel.
Ganz ähnlich hatte sich bereits seine deutschen Kollegin aus dem Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB) geäußert. Die EZB müsse "jetzt energisch handeln", forderte Isabel Schnabel. Es ist eine 180-Grad-Kehrtwende der Deutschen, die sich vor knapp einem Jahr als eine große Inflationsrisiken-Beschwichtigerin hervorgetan hatte.
EZB-Paukenschlag
Der EUR/CHF-Kurs geht mittlerweile immer stärker davon aus, dass der höchste Zinsschritt in der Geschichte der EZB kommen wird. Denn genau das wäre eine Anhebung um 0,75%. Die Devisennotierung klettert binnen einer Woche von 0,9550 auf 0,9770 (+2,1%). Da dürfte noch mehr gehen.
Hinter dem Anstieg steckt die klassische Konstellation, wie man sie seit Jahren immer wieder bei einem Aufbäumen des Euro beobachtet. Die Schweiz mit ihrem Franken ist zwar stabil, solide und konstant. Jedoch ist der Musterschüler auch etwas langweilig für die Devisenmarktakteure.
Zwar warnt der Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), Thomas Jordan, "die Hartnäckigkeit der Inflation zu unterschätzen." Seine neuesten Einlassungen deuten aber darauf hin, dass eine XXL-Zinsanhebung um 0,75%, wie er sie Ende Juli in den Raum gestellt hatte, vom Tisch ist.
Weil die SNB nicht zugewartet hat und im Juni noch vor der EZB mit einer Leitzinserhöhung um 0,50% vorpreschte, habe sie sich nach Jordans Darstellung in Polster geschaffen. Das Risiko für die Konjunktur, verbunden mit der Notwendigkeit eines abrupteren und stärkeren Zinsanstiegs, ist damit gebannt.
Zweifelsohne eine gute Nachricht für den Euro. Überdies profitiert er von dem von Deutschland initiierten Schwenk zu mehr Stabilität. Der große Vorsprung des Schweizer Frankens auf den Euro verkleinert sich etwas. Das zieht den EUR/CHF-Kurs, der aus charttechnischer Sicht ohnehin Platz hat auf 1,02, hoch.
Der Schweizer Franken, der in den letzten Monaten nur Einser nach Hause brachte, gibt sich mit Zweiern zufrieden. Die vom Euro erbrachten Leistungsnachweise waren bisher allesamt mangelhaft oder ungenügend. Doch nun sieht es so aus, als ob die Gemeinschaftswährung auf ein ausreichend kommt.
Steigt der Eurokurs tatsächlich über Parität zum Franken, so wird eine solche Bewegung immer wieder von kleineren Rückschlägen geprägt sein. Zum einen liegen hartnäckige Widerstandsbereich bei 0,98 und 0,9950-1,00. Diese zu überwinden wird aller Voraussicht nach nicht gleich im ersten Versuch gelingen.
Zum anderen braucht es einen größeren Rückschlag für die Bildung eines höheren Tiefs (HT). Dies ist essenziell, damit ein zuverlässiges, so genanntes Second-Signal-Kaufsignal, für den Euro ausgelöst wird. Es würde ein Anstieg zu dem bei 1,02 liegenden Anfangspunkt des Abwärtskanals ermöglichen.