Die hohe Glaubwürdigkeit des Schweizer Franken ist in Gefahr. Nutznießer ist der Euro. Er steigt von 0,97 auf 0,99 CHF. Wie hoch trägt der von der Schweizer Notenbank angerichtete Schaden den EUR/CHF-Kurs? Untermauert wird der Anstieg des Euro von einem verbesserten Konjunktur- und Inflationsausblick. Sehen wir jetzt 1,00?
Dank der Hoffnung auf eine rasche wirtschaftliche Erholung ist der Euro am klettern. "Konjunkturerwartungen steigen stark an", meldet das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Gleichzeitig kommt es zu einem deutlichen Rückgang der Inflationserwartungen im Euroraum.
Begünstigt wird der mittlerweile dritte Versuch des Euro die Parität zum Schweizer Franken herzustellen von einem Glaubwürdigkeitsverlust der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Sie hat wegen 142 Milliarden Franken Spekulationsverlusten kaum noch Geld in der Kasse.
"Ein negatives Eigenkapital kann implizieren, dass die Notenbankgeldmenge nur ungenügend durch Aktiven gedeckt wäre, was der Glaubwürdigkeit der Währung sicher abträglich wäre", sagen die einflussreichen Schweizer Ökonomen Aymo Brunetti und Reto Föllmi.
2010-2020 war der Holy Grail der SNB Franken zu drucken und damit Euro zu kaufen. Diese Euro wollte man wegen dem negativen Zinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) freilich nicht auf Cash-Konten liegen lassen, und so häufte die SNB riesige Bestände deutscher- und französischer Staatsanleihen sowie Aktien an.
Solange Aktienkurse und Anleihenkurse am steigen waren, machte die SNB sagenhafte Gewinne. Die Kantone freuten sich. Ihnen steht per Gesetz ein Teil der Gewinne der SNB zu. Jetzt, wo Mark Zuckerberg und Jeff Bezos sparen müssen, fließt allerdings kein Geld mehr.
Die angekratzte Glaubwürdigkeit des Schweizer Franken eröffnet dem Euro eine weitere Chance das 1 zu 1 zu erreichen. Ende Oktober und Anfang November kam er nicht über 0,9940 bzw. 0,9960 hinaus. Diesmal könnte er die Parität knacken, zeigt die Zinsentwicklung an.
Italiens 10-Jahres-Zins, ein auf den EUR/CHF-Kurs ausstrahlender, verlässlicher Krisenindikator, findet sich aktuell unter 4% wieder. Das ist eine gute Nachricht für den Euro. Die EZB muss nun doch kein Auffangnetz (Backstop) spannen. Vor einem Monat sah das noch anders aus: Der italienische Zins kletterte auf 5%. Die EZB stand kurz davor italienische Staatsanleihen zu kaufen und damit die Normalisierung der Geldpolitik zu konterkarieren.
Sollte der Euro ein drittes Mal knapp unter 1,00 CHF hängenbleiben, käme das Business as Usual gleich. Wie sehr der Glaubwürdigkeitsverlust der SNB auf dem Franken wiegt, ist schwer zu sagen. Man kann nicht ausschließen, dass das Thema aktuell von einigen Marktteilnehmern gepusht wird. Ihr Kalkül: Die letzten Euro zu 1 zu 1 umtauschen, weil die Gemeinschaftswährung keine gute Zukunft hat.