Euro-Hartwährung oder Weichwährung interessierte Angela Merkel so wenig wie die chronischen Verspätungen der Deutschen Bahn. Helmut Kohl hatte noch dafür gesorgt, dass die Europäische Zentralbank (EZB) nach Frankfurt kommt (nicht nach Paris) und damit ein Starkwährungsversprechen abgegeben. Wie viel ist davon nach einem Vierteljahrhundert Euro übrig?
Der Kanzler der Einheit schlug zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen war die Ansiedlung der Euro-Notenbank auf deutschem Boden ein Trostpflaster. Kohl hatte zuvor in Hohenzollern-Manier das Aus für die Deutsche Mark befohlen.
Überdies dürften Kohl und sein damaliger Staatssekretär Jürgen Stark von einer disziplinierenden Wirkung ausgegangen sein. Werden die Entscheidungen für die Euro-Währung in Frankfurt unweit der Bundesbank getroffen, werden es Frankreich und Italien nicht wagen, den Euro so aufzuweichen wie ihre Landeswährungen.
Verkehrte Welt
Aktuell herrscht in Deutschland wieder einmal verkehrte Welt: Die vermeintlich konservative CDU-Kanzlerin Merkel sah tatenlos zu, wie der Euro auf der ganzen Welt unbeliebter wurde. Während der 16 Jahre Merkel verringerte sich der Anteil des Euro an den weltweiten Währungsreserven von 24% auf 20%.
Merkel wusste, dass der weiche Euro vorübergehend die deutschen Exporte in die USA und China boomen lassen würde. Ferner verdiente der deutsche Staat wegen den negativen Zinsen am Schuldenmachen und -rollieren dreistellige Milliardenbeträge. Das Füllhorn schüttete die Kanzlerin über ihren Wählerinnen und Wählern aus – und legte damit den Grundstein ihrer Wiederwahlen.
Der sozialdemokratische Kanzler Scholz muss nun die Scherben zusammenkehren. Das ausgabenfreudige Frankreich und Italien haben bereits den Ukraine-Krieg instrumentalisiert, um neue EU-Schuldenprogramme zu fordern. Scholz verhindert das und wiedersetzt sich auch Forderungen, die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakt ausgesetzt zu lassen.
Es ist wie bei der Agenda 2010 von Gerhard Schröder. Die SPD macht, was der Union programmatisch näher steht. Scholz muss den Euro vor dem Ertrinken in der von Italiens Generalist Mario Draghi angerührten Inflationssoße retten. Merkel hatte für Ordnungspolitik und Währungspolitik keine Antenne. Der Hanseat Scholz weiß hingegen: Der weiche Euro schadet der deutschen Wirtschaft langfristig sehr.
1 Euro = 0,89 Schweizer Franken
Die Talfahrt des Euro zum Schweizer Franken wird auch der deutsche Kanzler, dem Kritiker vorwerfen auf europäischer Ebene frugal und zu Hause spendierfreudig zu sein, nicht stoppen können. Hier ist der Punkt, an dem es kein zurück mehr gibt, überschritten. Es ist die Zeit von Boom and Bust, wobei der Boom immer kleiner wird und der Bust immer länger dauert.
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Die jährlich Abschwächung des Euro gegenüber dem Schweizer Franken beträgt im Mittel 1,5%. Dies würde ein Wechselkurs von 1 Euro = 0,95 Franken im Jahr 2025 und 0,89 im Jahr 2030 bedeuten. Es kann auch tiefer gehen, alsbald die Eurozone ihre Haftstrafe für die geldpolitischen Experimente der letzten Dekade antreten muss.
Zuvor wird der vom Ukraine-Krieg verursachte wirtschaftliche Schaden noch repariert. Dafür reichen die Selbstheilungskräfte der jedes Jahr undynamischer werdenden Eurozonen-Wirtschaft gerade noch aus. Danach darf man sich auf eine Wachstums-Lethargie sondergleichen einstellen.
Man findet die "Mountains of Debt" nicht wie in den 1980er-Jahren in den Anden Lateinamerikas, sondern mit Montblanc und Dolomiten in den Alpen. Querverweise auf die USA halten nicht. Amerikaner haben zwar auch sehr hohe Schulden. Sie bügeln das aber mit einer sehr dynamischen Wirtschaft wieder aus. Frankreich, Italien und Spanien sind undynamisch und überreguliert. Deutschland steht zwischen den USA und dem Mittelmeer-Trio.
Noch liegt die Wirtschaftsleistung der USA bei 23 Billionen US-Dollar und die der Eurozone bei 15 Billionen. Es wird sehr viel schneller gehen, als sich das die meisten bei der EU in Brüssel vorstellen. Die Wirtschaftsleistung der USA könnte bereits ab 2025/26 doppelt so hoch sein wie die der Eurozone.
Ein Wunder?
Sieht die Politik letztlich ein, dass sie die ökonomischen Realitäten mit EZB-Geldexperimenten und immer höheren Schuldentürmen nicht länger ignorieren kann? Gibt es Veränderungen? Nachdem Kolumbus die Tomate nach Italien brachte, rührten die Italiener das Nachtschattengewächs 200 Jahre nicht an.
Der Hund begraben liegt in den Jahren 2011 und 2012. Seinerzeit war die Eurozone auf Reformkurs. Dann wurde Mario Draghi EZB-Chef und François Hollande französischer Präsident. Die beiden setzten sich zusammen und beerdigten den Reformkurs. Das Veto von Angela Merkel blieb aus.