Der Euro ist aus dem weltweiten Währungsgefüge nicht wegzudenken, und so kommt seine Aufholjagd zum Schweizer Franken nicht von Ungefähr. Punktet der Euroraum 2023 mit seiner starken industrielle Basis und Rechtsstaatlichkeit? Oder holt ihn die hohe Abhängigkeit von Konjunkturzyklen ein, während der Franken seine Qualitäten als Sicherer Hafen ausspielt?
2023 beginnt für den Euro mit einem respektablen Wechselkurs von 0,99 CHF. Es hätte schlimmer kommen können. Im September kostete der Euro 0,95 Franken. Seinerzeit stand ein Minus von 9% zu buche. Dank einer Aufholjagd in den letzten Monaten fällt der Jahresverlust nur halb so hoch aus.
Die Experten sind sich einig: Es wird ein extrem schwieriges Jahr für die Finanzmärkte. Es gibt keinen Chefvolkswirt einer großen Bank, der nicht vor hohen Kursausschlägen (Volatilität) und Risikoaversion warnt. Für den Euro ist Ängstlichkeit nachteilig. Er wertet dann oft ab.
Ist die Weltwirtschaft hingegen in einem Aufschwung, wertet der Euro gerne auf. Er ist eine prozyklische Währung, als die Eurozone über eine starke industrielle Basis verfügt.
Für den Schweizer Franken als antizyklische Währung ist hingegen eine globale Wachstumsverlangsamung günstig. Steigt die Risikoaversion, profitiere der Schweizer Franken, streicht die Bank J. Safra Sarasin heraus.
"Die antizyklischen Eigenschaften des CHF [...] deuten auf einen weiteren Abwärtstrend für den EUR/CHF im Jahr 2023 hin", erläutert JP Morgan. Die größte Bank der USA ist eine Freundin des Schweizer Franken. Sie rechnet im Verlauf des Jahres mit einer Aufwertung des Franken auf 0,92 per 1 Euro.
Die Optimisten verweisen auf die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Mit dem überraschend schnellen Abschied von der Null-Covid-Politik halte China die Weltwirtschaft 2023 bei der Stange. Das tue dem exportabhängigen Euro gut, sind sie sich sicher. Gleiches würde für ein Ende des Ukraine-Kriegs gelten.
Damit er sich für den Eurokurs für den von der Oberbank prognostizierten Anstieg auf 1,04 CHF bis Juni 2023 ausgeht, müssen die Finanzmärkte vor Risikobereitschaft (und nicht vor Risikoaversion) sprudeln.
Bronzemedaille für Euro
Was dem Euro zugute kommt ist Folgendes: Viele Schwellenländer sind dabei den ökonomischen Rückwärtsgang einzulegen. Die Ausgänge der Präsidentschaftswahlen in Brasilien und den Philippinen tragen ganz sicher nicht dazu bei, dass diese beiden Länder den großen Abstand zu den G7-Industriestaaten merklich verkleinern werden.
Die Machthaber in Russland und der Türkei sind ökonomisch überfordert. Geht es um Wohlstandssteigerungen für die gesamten Bevölkerung, wird ihre Bilanz jedes Jahr schlechter. Der türkische Präsident Erdogan ist inzwischen so klamm bei Kasse, dass er Russlands Putin um ein Gas-Discount von 25% bittet und dann noch ein Jahr verspätet bezahlen möchte.
Wem das Rule of Law, also die Rechtsstaatlichkeit, am Herzen liegt, muss sich auf die USA, Europa, Japan und deren Währungen fokussieren. Der Euro ist ein fester Bestandteil und nimmt nach dem US-Dollar und Schweizer Franken mit dem Japanischen Yen einen geteilten dritten Platz ein. Das Britische Pfund gibt aktuell das schlechteste Bild ab.
Die Rohstoffwährungen Kanadas und Australiens, in denen die Schweizerische Nationalbank (SNB) einen Teil ihrer Devisenreserven angelegt hat, sind riskanter als der Euro. So hatte beispielsweise der Euro zum Australischen Dollar während der Finanzkrise 2008/09 und beim Covid-Ausbruch scharf aufgewertet.