Der Euro hat eine für ihn gefährlich werdende Aufwertung des Schweizer Franken gestoppt. Entsprechend hoch sind die Chancen, dass der EUR/CHF-Kurs der Eins als erster Vorkommastelle nahe bleibt. Diesen Schritt sollte der Euro möglichst schnell machen. Die Zeit der Tändeleien ist vorüber.
Der Schweizer Franken hat etwas Sand in seiner Starkwährungs-Maschine. Der Euro profitiert von Fortschritten beim Thema Inflationsbekämpfung: Der Unterschied zwischen der Teuerung in der Eurozone und der Schweiz hatte im Oktober 2022 sehr hohe 7,6% betragen. Im Januar 2023 waren es mit 5,3% deutlich weniger.
Es hat ein Stimmungswechsel zu Gunsten der Gemeinschaftswährung stattgefunden. Aktuell notiert der Eurokurs bei 0,99 CHF. Vor fünf Monaten war das noch anders. Seinerzeit war der Schweizer Franken in der Gunst der Anleger klar vorne. Der Euro stand mit einem Kurs von 0,94 Franken vor einem Scherbenhaufen.
1,00 ist für den EUR/CHF-Kurs in Reichweite, nachdem ein erster Versuch sich über der Parität zu befestigen, scheiterte. Aus charttechnischer Sicht gibt es für den Euro wenig zu beschönigen. Der langfristige Abwärtstrend des Euro, der im Oktober 2007 bei einem Wechselkurs von 1,68 Franken begann, dominiert. Zudem wären tiefere Kurse kein Neuland. Im September 2022 kostete der Euro lediglich 0,94 Franken.
Zürcher Kantonalbank sieht Euro-Comeback
Eine Fortsetzung der Stärkephase des Schweizer Franken kommt der Zürcher Kantonalbank (ZKB) zufolge in den nächsten drei Monaten nicht in Frage. Laut ihrer aktuellen Prognose wird der Euro bis Ende Mai 2023 auf 1,00 Franken steigen.
Die Devisenexperten der Raiffeisen Zentralbank schlagen in die gleiche Kerbe: Sie rechnen für März bis Juni 2023 mit Wechselkursen von 1,00-1,01. "Die Hoffnung auf eine bald wieder wachsende Wirtschaft in der Eurozone und die Aussicht auf weitere Zinserhöhungen seitens der EZB haben EUR/CHF Richtung Parität aufwerten lassen", streicht die Graubündner Kantonalbank heraus.
Die Akteure am Devisenmarkt, die vor fünf Monaten aufgehört haben ihre Fähnchen für den Schweizer Franken in den Wind zu hängen, werden nicht zögern in den Franken zurückzukehren, sollte die Probleme der Eurozone wieder zum Vorschein kommen. Die Staatsverschuldung der Eurozone ist mit 95 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) etwa 55 Prozent höher als die der Schweiz.
Die Zeit für ein neuerliches Erstarken des Schweizer Franken lässt auf sich warten. Einstweilen dominieren Devisenmarktakteure, die den Eurokurs nahe 1,00 CHF halten wollen. Damit das so bleibt, muss der Euro (wenn auch nur sporadisch) wieder einmal über 1,00 CHF steigen.
Umgekehrt würde bei folgender Kursentwicklung kein Sand mehr in der Starkwährungsmaschine Schweizer Franken sein: Es geht in einer schnellen Bewegung unter 0,98. Die, die den Euro wegen sinkender Inflationsdifferenz gekauft haben, werfen nun das Handtuch. Bricht der Euro durch, wäre Platz für ein Rückfall auf 0,94 bis Jahresmitte.