Hat der Euro das Potenzial zum Schweizer Franken langfristig zu steigen? Was spricht dafür und was dagegen. Vor allem seitdem der Euro unter Beweis gestellt hat, mehrere Monate am Stück aufwerten zu können, wird er für Akteure am Devisenmarkt interessanter. Zwischen September 2022 und Februar 2023 klettert der EUR/CHF-Kurs von 0,94 auf 1,01 (+7,5%).
Der Euro ist nach dem US-Dollar und mit einem Anteil von 20% an den weltweiten Devisenreserven die zweitwichtigste Währung. Er kann dreistellige Milliardenbeträge an Liquidität von institutionellen Investoren wie Pensionskassen und Versicherung ohne große Kursausschläge absorbieren. Einen solchen Größenvorteil kann der Schweizer Franken nicht aufweisen.
Außerdem hebt die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen stärker an als die Schweizerische Nationalbank (SNB). Ein Ende der Zinserhöhungen ist laut dem Gouverneur der Österreichischen Nationalbank (OeNB) nicht in Sicht. Er gehe davon aus, die Zinsen "in diesem Jahr noch viermal um einen halben Prozentpunkt" zu erhöhen, sagt EZB-Ratsmitglied Robert Holzmann dem Handelsblatt.
Darüber hinaus ist die früher als erwartet eingetretene konjunkturelle Erholung der Eurozonen-Wirtschaft zu bedenken. Der rasche Rückgang der Gaspreise hat private Haushalte und Unternehmen von einer hohen Unsicherheit befreit. Unsicherheit ist Gift für die Konjunktur. Der für Europa relevante Gaspreis (Terminkontrakt TTF) sank zwischen August 2022 und März 2023 von 338 Euro je Megawattstunde auf 42 Euro (-88%).
Vorzüge des Franken
Einerseits gibt es gute Argumente, die für einen stärkeren Euros sprechen. Andererseits hat der Schweizer Franken ebenfalls viele Vorzüge. Er ist eine besonders sichere Währung. Ein Grund dafür ist die Neutralität der Schweiz und die hohe politische Stabilität. Hinzu kommt die innovationsstarke, sehr wettbewerbsfähige Volkswirtschaft.
🔗 Seit 117 Jahren: Schweizer Franken ist die stärkste Währung der Welt
Die Staatsschulden sind deutlich niedriger als in der Eurozone. Setzt man sie ins Verhältnis zur Wirtschaftsleistung (BIP), hat die Schweiz hier einen Vorteil von 50 Prozentpunkten. Die Schere geht künftig weiter auseinander. Während der Schweizer Staat mit einer jährlichen Neuverschuldung von 0-2% zu Rande kommt, schafft die Eurozone im besten Fall 4%.
Anders als in vielen Euroländern, allen voran in Italien, ist es in der Schweiz nicht politische Sitte per hoher Geldentwertung Staatsschulden wegzuinflationieren. Vor allen anderen Vorteilen ist die Inflation das schlagende Argument für den Schweizer Franken. Sie war, ist und wird auch künftig merklich tiefer sein als im Euroraum.
Ergebnis
Es gibt Argumente, die für eine Aufwertung des Euro sprechen. Die deutlichen Leitzinserhöhungen der EZB sind nicht von der Hand zu weisen. Trotzdem hat der Schweiz Franken wegen seiner niedrigeren Geldentwertung am Ende die Nase vorn. Die Euro-Zinsen nach Abzug der Inflation werden trotz Leitzinserhöhung erst einmal tief negativ bleiben und Anleger vor längerfristigen Engagements in der Gemeinschaftswährung abschrecken.
Euro-Staatsschulden werden weginflationiert. Das ist keine gute Sache für eine Währung, dessen Wert sich aus dem Vertrauen der Bürger speist. Der Schweizer Franken besitzt hingegen noch seine Funktion als Wertspeicher. Wer nennenswerte Euro-Ersparnisse auf dem Bankkonto hat, sollte daher darüber nachdenken, einen Teil in Schweizer Franken zu veranlagen.
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