Die Probleme der Schweiz sind mannigfaltiger als die der Euroländer. Nichtsdestoweniger wehrt der Schweizer Franken Versuche des Euro, die Eins vor dem Komma zurückzubekommen, ab. Wie lange noch?
Schweizer Großbaustellen
1. Unternehmen sind verunsichert
Der Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Schweizer Industrie setzte im März 2023 den im Dezember 2022 eingeläuteten Abwärtstrend fort. Der PMI "liegt damit den dritten Monat in Folge unterhalb der Wachstumsschwelle, meldet procure.ch.
Die Stimmung im Verarbeitenden Gewerbe, dem Service-Sektor und der Bauwirtschaft sei negativ, gab in der letzten Wochen die Konjunkturforschungsstelle (KOF) in Zürich bekannt.
2. SNB mit Glaubwürdigkeitsverlust
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat 2022 einen Rekordverlust von 133 Milliarden Franken aufgehäuft. Bei der ordnungspolitischen Vorgabe des Berner Bundesrats, die Credit Suisse in schweizerischen Händen zu halten, gab die SNB kein gutes Bild ab.
Über Monate herrschte beim Thema Credit Suisse ein seltsames Schweigen. Dann ging die SNB in die Offensive. Eigenkapitalgeber müssen bei der Credit-Suisse-Notrettung mehr bluten als Fremdkapitalgeber, ein klarer Verstoß gegen das Basel-3-Regelwerk.
Und dann noch das schweizerische Whatever-it-Takes: Damit steigt die Gefahr, dass die heimischen Banken künftig höhere Risiken (Moral Hazard) eingehen: Riss geht durch die Schweiz.
Die Liste der negativen Aufzählungspunkte für die SNB hört auch an dieser Stelle nicht auf: Wegen des vorzeitigen Abgangs von SNB-Direktorin Andrea Maechler steht die von Thomas Jordan geführte Notenbank bei Schweizerinnen nicht hoch im Kurs.
3. EU-Konflikt dämpft Langfristwachstum
Dem Wunsch der EU die bilateralen Verträge mit einem umfassenden Rahmenabkommen zu ersetzen, lehnte die Schweiz brüsk ab. Brüssel hat sie deswegen bereits aus der Forschungsförderung Horizon Europe rausgeschmissen.
Den bilateralen Vertrag für die wichtige Schweizer MEM-Industrie dürfte die EU als nächstes kappen. Die Unsicherheit künftig nicht mehr uneingeschränkten Zugang zum EU-Binnenmarkt zu haben, gilt als problematisch für viele Firmen.
Ergebnis:
Die schwächere Konjunkturentwicklung, der Glaubwürdigkeitsverlust der SNB und der Konflikt des Berner Bundesrates mit der EU sprechen für einen Anstieg des Euro-Franken-Kurses.EUR/CHF-Ausblick
Könnte man mit fundamentalen Daten Wechselkurse zuverlässig vorhersagen, wären Ökonomen und Doktoranden der Wirtschaftswissenschaften die besten Währungshändler. Sie sind es bekanntermaßen nicht.
Bei Vorhersagen auf eine Woche bis ein Jahr machen Charttechnik und Price-Action-Formationen den besseren Job. Aktuell befindet sich der Euro-Franken-Kurs in einer Dreieck-Formation.
- Gelingt dem Euro ein Breakout, würde das Dynamik für einen Anstieg auf 1,03 bis Ende Mai/Anfang Juni freisetzen.
- Umgekehrt wäre bei einem Breakout des Schweizer Franken ein Rückgang des EUR/CHF-Kurses auf 0,96 angezeigt.
Obschon der Euro aktuell einem Breakout näher ist als der Schweizer Franken, sind die Wahrscheinlichkeiten für beide Seiten mit 30% gleich. Bei 40% liegt die Wahrscheinlichkeit für einen Kriechgang zur Dreieck-Spitze.
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Der längerfristige EUR/CHF-Ausblick bis 2024