Der Eurokurs wird laut aktueller Lageeinschätzung bis Juli 2023 auf 0,93 CHF sinken und bringt damit Fremdwährungskreditnehmer und Schweizer Exporteure ins Schwitzen. Aktuell gibt es für 1 Euro 0,98. Zu Jahresbeginn waren es 1,01.
Grenzgängern, die einer Berufstätigkeit in der Schweiz nachgehen, gefällt ein starker Franken. Tauschen sie ihr Gehalt in Euro, ist das ein Hinzuverdienst. Für Schweizer Exporteure (siehe unten) und Franken-Fremdwährungskreditnehmer ist das Gegenteil der Fall.
Österreichs private Haushalte hatten zuletzt Franken-Kredite im Gegenwert von 8,4 Milliarden Euro ausstehend. Die Finanzmarktaufsicht (FMA) stellt fest:
"Wer in den Boom-Jahren der Fremdwährungskredite seine Finanzierung spekulativ in Schweizer Franken aufgenommen hat, muss letztlich um bis zu zwei Drittel mehr für die Tilgung aufwenden."
Weiterlesen: Franken-Kredite: Die wichtigsten Überlegungen im April 2023
Damit es nicht noch mehr wird, muss sich der Eurokurs bei 1,00 CHF befestigen. Hier liegt der Hund für Franken-Kreditnehmer begraben. Entscheidende Merkmale in der Entwicklung des EUR/CHF-Kurs zeigen an: Es geht auf 0,93 runter.
Hintergrund ist eine Wedge-Flagge (Keilformation). Sie hat mit drei Aufwärts-Stößen ihre Schuldigkeit getan, also dem Euro unter die Arme gegriffen. Nun ist eine Fortsetzung des Abwärtstrends angezeigt.
Das Kursziel von 0,93 für Juli kann mit zwei Vorgehensweisen ermittelt werden. Dies erhöht seine Zuverlässigkeit. Die Eintrittswahrscheinlichkeit* steigt dadurch auf 55-60%:
- Die Höhe der Wedge-Flagge beträgt 7 Rappen (1,01 - 0,94). Sie wird von der Aussbruchstelle aus dem Wedge, die bei 1,00 war, abgezogen: Ergebnis: 0,93
- Seit November 2022 befindet sich der EUR/CHF-Kurs in einem vier Rappen hohen Seitwärtsverlauf zwischen 0,97 und 1,01. Bricht er bei 0,97 durch, erfolgt ein Measured Move nach untern: 0,97 minus 4 Rappen = 0,93.
Umwechslungsrisiko*
In acht von zehn Fällen herrscht bei der Bildung von Devisenkursen folgende Situation vor.
Beispiel: Der EUR/CHF-Kurs notiert bei 1,00. Die Wahrscheinlichkeit eines Anstiegs auf 1,01 ist genauso hoch wie die eines Rückfalls auf 0,99 (jeweils 50%).
Im Fachjargon spricht man von gleichen Wahrscheinlichkeiten für einen equidistanten Move.
In zwei von zehn Fällen herrscht ein Ungleichgewicht. Ein solches liegt aktuell beim EUR/CHF-Kurs vor. Die Wahrscheinlichkeit für sinkende Kurse steigt auf 60%.
Genau genommen muss das Unternehmen sogar nur in einem Fall aktiv werden. Folgt auf das equidistante Gleichgewicht eine 60-prozentige Wahrscheinlichkeit für einen Euro-Anstieg, werden die künftigen Euro-Eingänge automatisch mehr wert.
Beim EUR/CHF-Kurs gibt es aber nur sehr wenige solcher Euro-Stärkephasen. Beim EUR/USD-Kurs sieht es besser aus, so dass deutsche oder österreichische Unternehmen, die in die USA exportieren, prinzipiell nur in einem von zehn Fällen eine aktive Wechselkursabsicherung betreiben sollten.
Manchmal, wie beim Covid-Ausbruch im März 2021, wird für kurze Zeit sogar 70% erreicht. Noch höhere Wahrscheinlichkeiten sind nicht möglich.
Jedem Euro-Verkäufer muss ein CHF-Verkäufer gegenüberstehen. Würde die Wahrscheinlichkeit eines Euro-Rückfalls auf 80% oder mehr steigen, wären nicht ausreichend CHF-Verkäufer zugegen.
Das Ergebnis wären große Löcher (Gaps) im Devisendiagramm und ein mehr schlecht als recht funktionierender Markt.
Es wäre zwar nicht so schlimm wie am Schwarzen Donnerstag (15.01.2015), als die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Mindestkurs aufhob, ginge aber in diese Richtung.
Überflüssig
Für ein Schweizer Unternehmen, das Euro-Eingänge absichern will, empfiehlt es sich in acht von zehn Fällen keine aktive Währungsabsicherung (die ziemlich teuer sein kann) zu betreiben.
Stattdessen werden Euro-Umsatzerlöse nach Zahlungseingang sofort in CHF umgetauscht. Wer sie länger als ein oder zwei Tage liegen lässt, spekuliert am Devisenmarkt und untergräbt, streng gesehen, die Planungssicherheit des eigenen Unternehmens.
In zwei von acht Fällen ist es ratsam aktiv zu werden. Das Prinzip dahinter ist logisch: Wenn die Wahrscheinlichkeit auf 60% steigt, darf man die Hände nicht in Taschen stecken.
Die staatlichen Roulette-Casinos machen bereits beim Spiel mit Schwarz und Rot mit Wahrscheinlichkeiten von 52% zu ihren Gunsten ein Heidengeld.
Aktuelle Lage
Der EUR/CHF-Kurs hat zwischen September 2022 und Januar 2023 einen Zwischenanstieg (Wedge-Flagge) von 0,94 auf 1,01 absolviert. Er tendiert nun wieder nach unten.
Beispiel: Ein Schweizer Unternehmen erwartet für Juni 2023 einen Euro-Zahlungseingang von 100.000 Euro. Es möchte den aktuellen Eurokurs von 0,98 CHF auf den Zahlungszeitpunkt absichern.
Dazu schließt es ein Devisentermingeschäft ab. Unabhängig von der tatsächlichen Kursentwicklung bekommt das Unternehmen im Juni 2023 für 100.000 Euro 98.000 Franken geliefert.
Sinkt der Eurokurs bis Juni auf 0,94 CHF, hätte das Unternehmen 4.000 Franken bares Geld gespart.
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Sie haben keine Antenne für die Zuverlässigkeit der vorliegenden Wedge-Flagge im Zusammenspiel mit dem Abwärtstrend.