Für den Euro steht zum Ausklang des Sommers viel auf dem Spiel. Ihm freundlich gegenüberstehende Devisenexperten sagen: Im August wird der Grundstein für die Hochstufung der Gemeinschaftswährung auf 1,00 Franken gelegt. Aktuell notiert der Eurokurs bei 0,96 CHF. In der letzten Woche waren es 0,95.
Der Euro-Franken-Kurs wird bis September auf 0,99 CHF, Dezember 1,00 und März 1,01 steigen, prognostiziert die Erste Group. "Sobald mehr Klarheit über die globale Konjunkturentwicklung absehbar ist, sollte auch der Schweizer Franken gegenüber dem Euro abschwächen", erläutert Österreichs größtes Geldhaus.
Die Commerzbank pflichtet bei. Sie geht sogar noch einen Schritt weiter. Bis Mitte 2024 wird der Euro auf 1,03 Franken klettern. Mit Blick auf die kommenden Wochen sagt ihr Chef-Devisenexperte allerdings: Einstweilen poche die Schweizerische Nationalbank (SNB) auf einen starken Franken: "Für höhere EUR/CHF-Kurse ist es daher noch zu früh."
Es zieht sich wie ein roter Faden durch die Wechselkursprognosen: Die meisten Banken in Deutschland und Österreich rechnen mit Eurokursen um 1,00 CHF (Parität). Nicht so in der Schweiz. Die beiden größten Banken des Landes, UBS und Zürcher Kantonalbank (ZKB), sehen den Euro bei 0,97 CHF.
"Das zentrale Thema beim Schweizer Franken ist und bleibt allerdings die Inflation", betont die Raiffeisen Zentralbank. Auch sie sieht EUR/CHF nahe der Parität, hält sich allerdings eine Hintertür offen: "Ein stärkerer Schweizer Franken als von uns erwartet scheint in den nächsten Quartalen durchaus realistisch zu sein."
Die Inflation in der Schweiz sank im Juli auf 1,6%, teilte das Bundesamt für Statistik gestern mit. Von so viel Geldwertstabilität können Deutsche und Österreicher nur träumen. Hier sind die Verbraucherpreise mit einem jährlichen Tempo von 5,5% bzw. 7% am steigen.
Angesichts der mangelhaften Geldwertstabilität in der Eurozone ist das Aufwärtspotenzial des Euro begrenzt.
Infolge des in der zweiten Phase der Covid-Pandemie in Kraft getretenen EUR/CHF-Abwärtstrend verbieten sich sogar Wechselkursprognosen von 1,00. Wer diesen Trend, der den Euro schwächer und den Schweizer Franken stärker macht, nicht sehen kann oder nicht sehen will, läuft Gefahr einen schweren Fehler zu begehen.
Für die Devisenexperten der Banken ist es ein Leichtes ihre EUR/CHF-Prognosen anzupassen und neue Kursziele in die Tabellen einzutragen. Anders sieht es für jene aus, die "Skin in the Game" haben. Für einen Franken-Fremdwährungskreditnehmer macht es einen großen Unterschied, ob der Euro bei 0,90 CHF oder bei 1,00 CHF steht.
Zum Thema: Der Ausblick für Franken-Kreditnehmer im Juni 2023
Gleiches gilt für einen Schweizer Exporteur, der Euro-Umsatzerlöse auf einem Bankkonto in Deutschland oder Österreich liegen hat. Zu welchem Wechselkurs er dieses Geld zum Bilanzabschluss am Ende des Jahres (Translation) in die Schweiz bringt, wirkt sich auf den Geschäftserfolg aus.
Neben der dem Schweizer Franken gewogenen Charttechnik und Geldwertstabilität gibt es einen weiteren wichtigen Aspekt: Am Devisenoptionsmarkt sind Put-Optionen, mit denen sich beispielsweise Schweizer Exporteure gegen einen schwachen Euro absichern, teurer als Call-Optionen. Der Euro ist hier auf Sicht von einer Woche bis zwölf Monaten eine Risikowährung.
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