Der Euro-Franken-Kurs hat in den letzten Monaten erhebliche Schwankungen erlebt. Zwischen Anfang Januar und Ende Mai 2024 stieg der Kurs von 0,9210 auf 0,9930 und verpasste die Parität nur knapp. Derzeit probiert der Kurs erneut auf 1,00 zu steigen, wobei die Erwartung einer Zinssenkung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) im September um 0,50% (Jumbo Cut) eine zentrale Rolle spielt. Im Folgenden werden die Argumente für und gegen eine solche Entwicklung diskutiert.
Argumente für einen Anstieg des EUR/CHF auf 1,00
Ein wesentlicher Faktor, der für einen Anstieg des EUR/CHF auf die Parität spricht, ist die erwartete Zinssenkung der SNB. Eine Reduktion um 0,50% könnte dem Wert des Schweizer Franken schaden. Ein schwächerer Franken treibt den EUR/CHF-Kurs in Richtung 1,00, da der Euro relativ an Attraktivität gewinnt.
Zusätzlich stützt eine moderate wirtschaftliche Erholung im Euroraum den Euro. Laut Ulrich Leuchtmann, Leiter der Devisenabteilung der Commerzbank, hält sich der EUR/CHF in einem Bereich zwischen 0,95 und 1,00, wenn sich die Konjunktur im Euroraum verbessert. Diese wirtschaftliche Erholung stärkt das Vertrauen in den Euro und führt zu einer Aufwertung gegenüber dem Schweizer Franken.
Darüber hinaus sprechen technische Faktoren und das Marktsentiment für einen weiteren Anstieg. Der Kurs ist bereits in der Nähe der Parität gewesen, und ein erneuter Anlauf könnte die psychologisch wichtige Marke von 1,00 durchbrechen, was weitere Aufwärtsbewegungen auslösen kann.
Argumente für einen Rückgang des EUR/CHF auf 0,90
Auf der anderen Seite gibt es starke Argumente, die für einen Rückgang des EUR/CHF auf 0,90 sprechen. Ein zentraler Punkt ist die Erwartung, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen stärker senkt als die SNB. Der Zinsvorteil des Euros verschwindet dadurch, was zu einer Schwächung des Euros und einer Aufwertung des Schweizer Frankens führt.
Die Inflationsdifferenz zwischen dem Euroraum und der Schweiz spricht ebenfalls für eine Aufwertung des Frankens. Die Inflation im Euroraum liegt derzeit bei 2,6 %, während sie in der Schweiz nur 1,3 % beträgt. Diese geringere Inflation in der Schweiz stärkt den Schweizer Franken langfristig gegenüber dem Euro.
Technische Analysen und langfristige Trends zeigen ebenfalls eine Fortsetzung des Rückgangs des EUR/CHF an. Der langfristige Abwärtstrend, der den Kurs seit April 2018 von 1,20 auf 0,95 gedrückt hat, bleibt bestehen. Auch der ultralangfristige Abwärtstrend seit Oktober 2008, der den Kurs von 1,68 auf 0,92 sinken ließ, setzt sich fort. Es gibt keine Hinweise auf eine Umkehr dieser Trends, was darauf hindeutet, dass der EUR/CHF weiter auf 0,90 fallen wird.
Zusätzlich spielt der 5. langfristige EUR/CHF-Zyklus eine entscheidende Rolle. Dieser Zyklus dauert bis in die zweite Hälfte dieses Jahrzehnts an. Ein solcher Zyklus hat die Eigenschaft, dass der Euro nur an seinem Ende steigt. Dieser Prozess beginnt jedoch frühestens 2026. Bis dahin ist es sehr wahrscheinlich, dass der EUR/CHF auf ein neues Rekordtief von 0,90 oder sogar darunter fällt.
Beurteilung und Ausblick für den Rest des Jahres 2024
Nach Abwägung der verschiedenen Argumente ist es wahrscheinlicher, dass der EUR/CHF im restlichen Jahr 2024 auf 0,90 fällt, anstatt auf 1,00 zu steigen. Die Gründe hierfür sind klar:
- Zinsentwicklung: Die EZB senkt die Zinsen stärker als die SNB, was den Euro schwächt und den Schweizer Franken stärkt.
- Inflation: Die niedrigere Inflation in der Schweiz im Vergleich zum Euroraum stärkt den Schweizer Franken nachhaltig.
- Technische und zyklische Faktoren: Die bestehenden Abwärtstrends und der 5. langfristige Zyklus des EUR/CHF unterstützen die Annahme, dass der Kurs weiter sinkt. Der EUR/CHF-Zyklus zeigt, dass eine Aufwertung des Euros erst ab 2026 wahrscheinlich ist.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass der EUR/CHF-Kurs bis zum Ende des Jahres 2024 auf 0,90 fällt, höher ist als die eines Anstiegs auf 1,00. Die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen dem Euroraum und der Schweiz sowie die langfristigen Markttrends sprechen für eine weitere Aufwertung des Schweizer Frankens.
Ein kurzfristiger Anstieg in Richtung Parität ist zwar für den Fall, dass sich SNB-Präsident Jordan mit einem Paukenschlag, also einem Jumbo-Cut, verabschiedet, möglich. Jedoch zeigt die längerfristige Perspektive eine stärkere Abwertung des Euros. Thomas Jordan (61) scheidet im September 2024 aus dem Amt. Sein Nachfolger wird Martin Schlegel (47).