Droht die Rückkehr eines Mindestkurses für den Schweizer Franken? Diese Möglichkeit könnte Realität werden, falls der EUR/CHF-Kurs weiter unter Druck gerät. Der Markt testet die Entschlossenheit der Schweizerischen Nationalbank (SNB), während der Wechselkurs auf 0,9260 fällt. Mit dem näher rückenden Rekordtief bei 0,9203 vom 22. November 2024 wächst die Spannung – und die Frage, ob drastischere Maßnahmen erforderlich sein könnten.
Die Frankenstärke stellt die Entschlossenheit der Schweizerischen Nationalbank (SNB) auf die Probe, insbesondere angesichts der Inflationszahlen aus der Schweiz. Im November stieg die Inflation auf 0,7% im Jahresvergleich und übertraf damit die Erwartungen von Ökonomen, die einen Anstieg von 0,6% prognostiziert hatten.
Ende November 2024 schätzten Zinssatz-Futures die Wahrscheinlichkeit einer 0,50%-Zinssenkung durch die SNB auf 28%. Doch durch die überraschend gestiegene Inflation hat sich das Bild verändert. Die Wahrscheinlichkeit einer großen Zinssenkung ist gesunken, während eine moderate Senkung um "nur" 0,25% als sehr wahrscheinlich gilt.
Die anhaltende Abwertung des Euro gegenüber dem Schweizer Franken spiegelt das Vertrauen der Märkte in die Stärke des Franken wider, der traditionell als sicherer Hafen gilt. Diese Entwicklung birgt allerdings Risiken für die Schweizer Wirtschaft, die stark exportorientiert ist. Ein zu starker Franken könnte die Wettbewerbsfähigkeit der Exporteure belasten und das Wirtschaftswachstum dämpfen.
Die SNB verfolgt traditionell eine Politik der Interventionen am Devisenmarkt, um übermäßige Aufwertungen des Franken zu verhindern. Mit einer Inflationsrate, die weiterhin unter dem Zielbereich vieler Zentralbanken liegt, befindet sie sich grundsätzlich in einer guten Ausgangslage. Sie kann eine expansive Geldpolitik fahren, ohne das Ziel der Preisstabilität aus den Augen zu verlieren.
Die ersten Handelstage im Dezember haben jedoch gezeigt, dass der Devisenmarkt aufmerksam auf die Signale der SNB reagiert. Der Kursverlauf von EUR/CHF deutet darauf hin, dass Marktakteure zunehmend skeptisch sind, ob die SNB tatsächlich entschlossen genug ist, den Franken zu schwächen.
Es ist somit schmale Grat, zumal am 12. Dezember neben einer Zinssenkung der SNB eine der Europäischen Zentralbank (EZB) erwartet wird. Die Frage bleibt, ob die Maßnahmen der SNB dann am Ende ausreichen werden, um den EUR/CHF-Wechselkurs zu stützen, oder ob stärkere Eingriffe nötig sind.
Schlegel muss intervenieren
Sollte der EUR/CHF-Kurs trotz SNB-Leitzinssenkung am oder nach dem 12. Dezember 2024 unter das Rekordtief von 0,9203 sinken, wäre die SNB gezwungen, ihre Bemühungen erheblich zu verstärken.
Dies dürfte dann zu verbalen Interventionen durch SNB-Präsident Martin Schlegel führen. Schlegel würde dann die Entschlossenheit der SNB betonen, notfalls Negativzinsen einzuführen oder gezielte Deviseninterventionen durchzuführen. Eine weitere Option wäre, öffentlich zu erklären, dass er die Wiedereinführung eines Mindestkurses gegenüber dem Euro nicht ausschließen wolle.
Ein solcher Schritt würde ein starkes Signal an die Märkte senden, da der Mindestkurs von 1,20, der 2015 aufgegeben wurde, lange als Anker der Wechselkursstabilität galt. Allein die Andeutung dieser Möglichkeit würde kurzfristig den Abwertungsdruck auf den Euro mindern und die Marktvolatilität verringern.
Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die SNB bereit ist, solch drastische Maßnahmen in Betracht zu ziehen, oder ob sie weiterhin auf moderatere Ansätze setzt, um die Balance zwischen expansiver Geldpolitik und Wechselkursstabilität zu wahren.