Der Euro zum Schweizer Franken (EUR/CHF) bewegt sich seit Jahrzehnten in klar erkennbaren Wechselkurszyklen. Seit dem Ende von Bretton Woods und der Aufgabe der Goldbindung hat der Franken gegenüber dem Euro (bzw. früheren europäische Leitwährungen) kontinuierlich an Wert gewonnen. Die Geschichte zeigt: Jeder dieser langfristigen Abwertungszyklen des Euro folgt einem wiederkehrenden Muster – und dieses Muster liefert eine erstaunlich präzise Orientierung für die zukünftige Kursentwicklung.
Was ist ein EUR/CHF-Zyklus?
Ein kompletter Zyklus besteht aus zwei Phasen: einer ausgeprägten Abwertung des Euro gegenüber dem Franken, gefolgt von einer meist kürzeren, aber klar messbaren Erholungsphase. Die Verluste aus der Abwertung werden dabei nie vollständig wettgemacht. Diese Struktur ist seit den 1970er-Jahren immer wieder zu beobachten gewesen.
Analyse der Zyklen 2 bis 4: Klare Muster
Um verlässliche Aussagen für den aktuellen Zyklus treffen zu können, konzentrieren wir uns auf die letzten drei vollständigen Zyklen – also die Jahre 1980 bis 2015.
Die erste Phase (1970er-Jahre) war durch den Zusammenbruch des festen Wechselkurssystems stark verzerrt und wird daher in dieser Analyse ausgeklammert (Ausreißer). Würde man den 1. Zyklus einbeziehen, ergäbe sich ein Euro-Kursziel von 0,78 CHF für das Jahr 2026. Selbst den größten Franken-Fans dürfte das übertrieben erscheinen.
Die Daten zu den Zyklen 2 bis 4 im Überblick:
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Zyklus 2 (1980–1987):
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Abwertung: von 2,20 auf 1,55 CHF (−29,5 %)
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Erholung: auf 1,80 CHF (+16,1 %)
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Zyklus 3 (1992–2002):
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Abwertung: von 1,75 auf 1,45 CHF (−17,1 %)
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Erholung: auf 1,60 CHF (+10,3 %)
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Zyklus 4 (2007–2015):
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Abwertung: von 1,68 auf 1,03 CHF (−38,7 %)
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Erholung: auf 1,20 CHF (+16,5 %)
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Durchschnittswerte der historischen Zyklen:
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Durchschnittliche Abwertung: −28,4 %
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Durchschnittliche Erholung danach: +14,3 %
Was bedeutet das für den aktuellen 5. Zyklus?
Der 5. Zyklus begann im Mai 2018 bei einem Eurokurs von 1,20 CHF. Im November 2024 wurde ein vorläufiges Tief von 0,92 CHF erreicht. Doch aus Sicht der historischen Muster ist dies mit hoher Wahrscheinlichkeit noch nicht das endgültige Zyklustief.
Wendet man die durchschnittliche Abwertung von 28,4 % auf den Ausgangspunkt von 1,20 CHF an, ergibt sich ein potenzielles Zyklustief bei 0,86 CHF. Von dort aus lässt sich eine Erholung in Richtung 0,98 CHF erwarten – also knapp unter der Parität.
Langfristige EUR/CHF-Prognose:
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Zyklustief: ca. 0,86 CHF
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Erholungspotenzial danach: ca. 0,98 CHF
Diese Projektion stimmt mit dem historischen Verhalten des Euro-Franken-Kurses überein. In keinem der vergangenen Zyklen gelang dem Euro eine nachhaltige Rückkehr auf das Ausgangsniveau. Auch diesmal spricht vieles dafür, dass selbst nach einer Erholung ein deutlicher Wertverlust bleibt.
Dauer der Abwertungen- und Erholungen in den Zyklen 2–4:
Zyklus 2:-
Abwertung: 1980–1987 → 7 Jahre
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Erholung: 1987–1992 → 5 Jahre
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Abwertung: 1992–2002 → 10 Jahre
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Erholung: 2002–2007 → 5 Jahre
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Abwertung: 2007–2015 → 8 Jahre
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Erholung: 2015–2018 → 3 Jahre
Durchschnittliche Dauer der Phasen:
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Abwertung: (7 + 10 + 8) / 3 = 8,3 Jahre
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Erholung: (5 + 5 + 3) / 3 = 4,3 Jahre
Anwendung auf Zyklus 5 (Beginn: 2018 bei 1,20 CHF):
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Zyklustief:
Abwertungsdauer im Schnitt: 8,3 Jahre →
→ Prognose: Zyklustief um das Jahr 2026
Zielkurs laut historischer Abwertung: 0,86 CHF -
Erholungsphase:
Dauer im Schnitt: 4,3 Jahre →
→ Prognose: Erholung bis etwa 2030/31
Zielniveau laut durchschnittlicher Erholung: 0,98 CHF
Fazit:
Für aktuell laufenden 5. Zyklus ergeben sich folgendes Bild:
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Start: 2018 bei 1,20
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Tief: 0,86 im Jahr 2026
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Erholung: auf 0,98 bis 2030/31
Auch wenn kurzfristige Schwankungen möglich sind, spricht die langfristige Struktur klar für ein weiteres Absinken des EUR/CHF bis 2026 – und danach für eine allmähliche Erholung.
Was treibt diese Zyklen an?
Hintergrund der strukturellen Schwäche des Euro gegenüber dem Schweizer Franken sind fundamentale Unterschiede in den Volkswirtschaften, allen voran die niedrigere Inflation in der Schweiz. Der Franken ist ein sicherer Hafen mit robuster Geldpolitik, hoher Kapitaldisziplin und starker Währungstradition. Der Euro hingegen ist eine Gemeinschaftswährung mit politischer Kompromissarchitektur und regelmäßig auftretenden fiskalischen Spannungen.
EUR/CHF bleibt langfristig unter Druck
Die Geschichte liefert klare Hinweise: Der EUR/CHF-Wechselkurs unterliegt wiederkehrenden Mustern. Auch im aktuellen Zyklus ist das Bild eindeutig – der Euro befindet sich in einer strukturellen Abwertung, die historisch betrachtet noch nicht abgeschlossen ist. Anleger und Deviseninteressierte sollten daher weiterhin mit einem schwächeren Euro rechnen. Erst wenn der Kurs in Richtung 0,86 CHF fällt, ist mit einer technischen Erholung zu rechnen – jedoch nicht mit einer echten Trendwende.
Interessant an den Prognosen basierend auf den großen (sekulären) Abwertungszyklen ist Folgendes: Der Euro kommt deutlich besser weg als bei einer Prognose basierend auf Inflationsunterschied und Kaufkraftparität (PPP). Sie sieht den fairen Eurokurs bei 0,84 CHF im Jahr 2030.
Müsste man sich entscheiden, wäre die Prognose der sekulären Abwertungszyklen vorzuziehen, als sie den Launen des Devisenmarktes mit seinem mitunter sehr hohen Schwankungen besser Rechnung trägt. Ferner kann der faire Wechselkurs jahrelang vom tatsächlichen abweichen.